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Das Spielen von Computerspielen und Browsergames war für viele in Zeiten von Corona und des langen Lockdowns eine willkommene Beschäftigung. Dass Videospielen nicht nur allein ein Zeitvertreib ist, sondern auch die Hirnleistung verbessern kann, berichten die Tübinger Neurowissenschaftler Joana Stäb und Professor Dr. Uwe Ilg vom Hertie-Institut für klinische Hirnforschung und der Universität Tübingen.

Verbesserte Aufmerksamkeitsprozesse im Gehirn

Je mehr Video- und Computerspiele ein Mensch spielt, umso leichter fällt es ihm beispielsweise, eine Anzahl an Gegenständen abzuschätzen. Nach Einschätzung der Forscher liegt das vermutlich an den verbesserten Aufmerksamkeitsprozessen im Gehirn.

Eine gewisse Fähigkeit, Mengen auf einen Blick einzuschätzen, ist bei jedem Menschen angeboren. Niemand muss die drei Gläser im Schrank einzeln abzählen, um zu wissen, dass es drei sind. Der sogenannte Zahlensinn verhält sich ganz ähnlich wie unsere anderen Sinne: Je kleiner der Unterschied zwischen zwei Reizen ist, wir beispielsweise in der Mengengröße oder Tonhöhe, desto schlechter können wir diesen Unterschied einschätzen. „Wir können allerdings unsere Wahrnehmung trainieren. Musiker zum Beispiel nehmen sehr feine Unterschiede in der Lautstärke wahr“, erklärt Stäb. „Es interessierte uns, ob sich auch der Zahlensinn trainieren lässt.“

Mehr über das Experiment

Um dies herauszufinden, rekrutierten die beiden Wissenschaftler passionierte Gamer, die mehr als vier Stunden pro Woche mit ihrem Hobby verbrachten. Solche Computerspiele oder auch Browsergames kann man heutzutage ohne Anmeldung einfach spielen. Als Kontrollgruppe dienten Personen, die deutlich weniger Zeit mit Videospielen verbrachten. Und so lief das Experiment ab: Die beiden Probandengruppen sahen währenddessen auf einem Bildschirm zwei Kreise mit unterschiedlich vielen Punkten darin. Sie mussten jeweils spontan den Kreis auswählen, in dem sich mehr Punkte befanden. So konnten die Forscher die Wahrnehmungsschwelle der Probanden bestimmen.

Studienleiter Ilg sagt zum Ergebnis:

„Die Fähigkeit, Mengen auf einen Blick zu schätzen, lässt sich tatsächlich trainieren“, so Ilg. „Vereinfacht ausgedrückt: Computerspieler können intuitiv und ohne nachzuzählen besser unterscheiden, ob mehr Äpfel oder mehr Orangen im Einkaufswagen liegen.“ Auch wenn die Spieler insgesamt genauso viele Fehler machten wie die Nicht-Spieler, waren sie jedoch besonders dann eindeutig besser, wenn die Menge der Punkte in den Kreisen sich nur minimal unterschied. Je mehr sie wöchentlich spielten, desto feiner war ihre numerische Auflösung.

Aufgrund dieser Feststellung geht das Team davon aus, dass Computerspielen Einfluss darauf hat, wie das Gehirn die Aufmerksamkeit lenkt und kontrolliert. „Wir wissen aus weiteren Studien, dass Videospielen auch andere kognitive Fähigkeiten verbessert, wie etwa die Zeitwahrnehmung oder das Arbeitsgedächtnis“, so Ilg. Allerdings sind sich die beiden Hirnforscher einig: Zu viel Zocken schadet. Deshalb appellieren sie, nur mäßig zu spielen. „Jede Medaille hat zwei Seiten – exzessives Computerspielen kann in Abhängigkeit münden, dies ist offiziell als Krankheit anerkannt.“