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Singende und lachende Narren haben die Stadt in aller Welt bekannt gemacht. Die „Fastnacht“ ist zum Mainzer Markenzeichen geworden, das bei gutem Wetter am Rosenmontag mehr als eine halbe Million Menschen auf die Beine bringt. Vorausgehen ein paar närrische Wochen, in denen vor allem im Saal gefeiert wird.

Schon im Mittelalter wussten die Mainzer Fastnacht zu feiern. „Man ißt viel zu viel in diesen Tagen, bis in den Mittag schläft man den Rausch aus, überhaupt ist alles verkehrt und verrückt, die Herren werden zu Sklaven, die Weiber zu Männern, Jünglinge verwandeln sich in Greise und Jungfrauen, aus Menschen werden vermummte böse Geister, die Tage werden zu Nächten, und die Nächte macht man zu Tagen“, schrieb Dietrich Gresemund, Hofarzt und Berater des Mainzer Kurfürsten, anno 1495.

Ihre heutige Form fand das Ereignis aber erst sehr viel später. Im Jahr 1838 gründeten die Mainzer den ersten Karnevalsverein. Schon ein Jahr zuvor war die Mainzer Ranzengarde in die närrische Schlacht gezogen: eine militärisch gegliederte, Uniform tragende Bürgerwehr, die sich der Persiflage militärischen Drills verschrieben hatte. Noch heute sind die Garden das Rückgrat der Fassenacht: uniformierte Streiter für Gott Jokus, in deren Gewehrläufen Blumen statt Kugeln stecken und die mit Konfetti statt Kanonen schießen. Wie beim Militär sind auch die Garden rangmäßig: vom Sergeanten bis zum Generalfeldmarschall. Schon am Martinstag kommen die ersten Gardisten und Narren zur Verkündung des närrischen Grundgesetzes auf dem Schillerplatz zusammen.

Traditioneller Auftakt der Kampagne ist der Neujahrstag, wenn die Garden am späten Vormittag unter Helau- und Prost-Neujahr-Rufen durch die Stadt paradieren. Auch am Tag vor Rosenmontag, dem Fastnachtssonntag, ist ihnen am späten Vormittag ein eigener Umzug gewidmet. Der närrische Nachwuchs zeigt sich am Fastnachtssamstag beim Jugendmaskenzug, einem der größten Europas. Ähnlich groß wird sonst nur in Zentral- und Südamerika gefeiert, allen voran natürlich in Brasilian aber auch auf Karibikinseln wie Curaçao.

Höhepunkt des närrischen Treibens ist der Rosenmontag, wenn rund zehntausend Narren in einer bunten Parade durch die Stadt ziehen. Im Mittelpunkt stehen die so genannten Motivwagen, dreidimensionale Karikaturen, in denen die Mainzer die Politik auf die Schippe nehmen.

Wurzelten die ersten Rosenmontagszüge ganz im romantischen Denken des frühen 19. Jahrhunderts, wurden sie mit der Zeit immer politischer. „Im Zug“, schrieb im Jahr 1842 eine Zeitung, „erkennt man, dass die Mainzer Carnevalhelden mit ihren Narrenstreichen noch andere Zwecke verfolgen als momentan zu belustigen.“ Im Jahr 1846 verbrannten im Übrigen die Karnevalisten am Schluss des Umzuges symbolisch die damals herrschende Zensur in Gestalt einer Pappfigur und schmückten das Haupt Gutenbergs auf seinem Denkmal mit einem Kranz. Erst Ende des 19. Jahrhunderts kamen die großen Rosenmontagswagen mit ihren gigantischen Aufbauten in Mode, als man Architekten für die Gestaltung der närrischen Karossen gewann. Im Jahr 1927 bereicherten den Rosenmontagsumzug die ersten, damals „Dickköpp“ genannten Pappmaschee-Figuren. Heute firmieren sie im Großen und Ganzen als „Schwellköppe“ und gelten als Markenzeichen des größten und schönsten Mainzer Volksfestes.

Noch mehr als die Straßenfastnacht aber bestimmt die Saalfastnacht das öffentliche Bild der Stadt, denn seit dem Jahr 1955 erscheinen die Mainzer Narren Jahr für Jahr im deutschen Fernsehen. Zwar ist die TV-Sitzung „Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht“ längst kein Straßenfeger mehr wie in den 1950er- und 1960er-Jahren, noch immer aber gilt sie als erfolgsreichstes deutsches Karnevalsprogramm. Manchen Narren machte die Fernsehsitzung gar zum Star. So wie Ernst Neger, den singenden Dachdeckermeister, der mit seinem „Heile, Heile Gänsje“ Millionen Menschen im Nachkriegsdeutschland Trost spendete oder sie mit „Humba Tätärä“ von den Sitzen riss. Im Prinzip ist auch Rolf Braun unvergessen, einer der ganz großen Büttenredner, oder Herbert Bonewitz, der dem Volk besonders gern die Leviten las. Und auch der „Bote vom Bundestag“ verkörperte Jahr für Jahr Gesellschaftskritik vom Feinsten. Es ist das närrische Rügerecht, das die Mainzer perfekt beherrschen.

Nach der Corona-Pandemie wird 2023 wieder ohne Einschränkungen Fastnacht in Mainz gefeiert. Auch in Sachen Musik wird es wieder laut, lustig und fetzig. Man darf gespannt sein.