Eine junge Frau lächelt in die Kamera. Plötzlich vollführt sie eine ruckartige Bewegung mit ihrem Hals und ein lautes Knacken ist zu hören. Solche Szenen findet man derzeit vielfach auf der Videoplattform TikTok. Das Einrenken, das aus der Chiropraktik stammt, wird dabei auf möglichst spektakuläre Weise demonstriert – und Millionen von Usern sehen fasziniert zu.

Es entsteht der Eindruck, dass die Manipulationen der Wirbelsäule von jedem durchgeführt werden könnten. In Kombination mit der Aussage, dass sich dadurch Rückenschmerzen behandeln lassen, ein gefährlicher Trugschluss. Nicht fachgerecht durchgeführt geht die Technik nämlich mit beträchtlichen Gesundheitsrisiken einher. Welche das sind und welche Methoden besser zur Behandlung von chronischen Rückenschmerzen geeignet sind, wird in diesem Beitrag erläutert.

Diese Gefahren lauern bei einer chiropraktischen Selbstbehandlung

Es ist kein Einzelfall, dass ein medizinisches Thema unerwartet viral geht. Ein weiteres besonders prominentes Beispiel hierfür ist die 10.000-Schritte-Challenge, die unzähligen Menschen zu mehr Bewegung im Alltag verholfen hat. Im Gegensatz zum aktuellen Hype bestand dabei allerdings keine Gesundheitsgefahr. Das ist bei den laut knackenden Einrenkungen anders. Sie können zu langfristigen Einschränkungen aufgrund von Wirbelverschiebungen, Bandscheibenvorfällen oder Nervenkompressionen führen. Außerdem sind Mikrorupturen der Blutgefäße möglich, die einen Schlaganfall verursachen können. Das bedeutet, dass Manipulationen an der Halswirbelsäule im schlimmsten Fall sogar tödlich enden können.

Mit diesem Ansatz können Rückenschmerzen dauerhaft gelindert werden

Ein weiterer Kritikpunkt am TikTok-Trend ist die bloße Fokussierung auf das Einrenken. Durch die Darstellung wird der Eindruck vermittelt, die Technik sei langfristig geeignet, um Rückenschmerzen zu lindern. Tatsächlich raten Mediziner jedoch ausdrücklich von dieser Praktik ab, wenn sie nicht in einem ganzheitlichen Ansatz eingebunden ist. Das übergeordnete Ziel bei der Ergreifung geeigneter Maßnahmen sollte dabei die funktionelle Stärkung der Muskulatur und somit der Wirbelsäule sein – nur so können Einschränkungen dauerhaft verbessert und chronische Schmerzen gelindert werden. Gleichzeitig muss die Ursache für die Probleme gefunden werden, beispielsweise Dysbalancen der Körperhaltung. Wird das knackende Einrenken hingegen isoliert genutzt, ist selbst bei professioneller Durchführung von einer erneuten Verschlechterung auszugehen, wenn die Auslöser nicht beseitigt werden.

Diese Kriterien sind bei der Wahl der Behandlung ausschlaggebend

Sollen chiropraktische Techniken bei der Behandlung von Rückenschmerzen zum Einsatz kommen, ist es wichtig, nach einem qualifizierten Fachmann zu suchen. Diesen erkennt man an seinem umfangreichen Wissen über die menschliche Anatomie und geeignete Untersuchungsmethoden und der Abstimmung der Behandlungsmethoden auf die individuellen Bedürfnisse des jeweiligen Patienten. Unabhängig davon sollte stets ein ganzheitliches Konzept bei der Therapie angewendet werden. Dieses beinhaltet Aspekte der Physiotherapie, insbesondere eine gezielte Trainingstherapie. Gezielte Übungen für eine funktionell gekräftigte Rückenmuskulatur verbessert nicht nur die Körperhaltungen, sondern bietet langfristig die Chance, Schmerzen und Einschränkungen loszuwerden – TikTok-Clips hingegen sollten weiterhin ausschließlich als ein Unterhaltungsmedium betrachtet werden.

Über Alexander Srokovskyi:

Alexander Srokovskyi ist Inhaber mehrerer Praxen in Baden-Baden, Referent an Physiotherapie-Schulen, internationaler Coach für Osteopathie in Verbindung mit Neuroathletik und Entwickler einer weltweit eingesetzten KI im Bereich Gesundheitsvorsorge. Als gefragter Experte schreibt er für den Droemer Knaur Verlag sowie für zahlreiche internationale Zeitschriften und Fachmagazine. Zudem hält er Vorträge auf Ärztekongressen, für Politiker und medizinische Einrichtungen über evidenzbasierte Gesundheitsvorsorge und den richtigen Umgang mit Schmerzen.