Ich mache Liegestützen. Die habe ich schon früher gehasst. Als ich noch regelmäßig Sport gemacht habe. Damals. 50 Kilogramm ist das her. Jetzt sehe ich nach rechts. Sehe wie dort Anja 50 Liegestützen schafft, während ich an 20 scheitere. Doch zum Glück hat sie das richtige Rezept für mich parat.


Wir machen heute zu Dritt Training. Torben leitet Anja und mich an. Er nutzt die Situation aus, um Druck auf mich zu machen: „Wenn eine Frau 50 schafft, wirst Du doch wohl mehr als 20 machen.“ Natürlich meint er das nicht so. Im Gym7 sieht er jeden Tag viele Frauen, die besser trainiert sind als Männer. Er sagt es, um Anja und mich anzustacheln. Personaltrainer sind nicht da, um gemocht zu werden – sondern um deinen Inneren Schweinehund zu bekämpfen.

Für Anja kann ich nicht sprechen. Aber bei mir wirkt das nicht. Zum einen habe ich mich in meiner Geschlechterrolle noch nie bedroht gefühlt, auch und erst recht nicht, wenn ich sie nicht erfüllen konnte. Zum anderen habe ich Respekt vor dem, was die können, die im Gym7 regelmäßig an ihrer Fitness arbeiten. Und ich weiß nur zu gut, wie ich es in den letzten Jahren habe schleifen lassen.

Was Anja sagt, bewegt mich indes mehr: „Ich denke nicht an die drei mal 50 Liegestützen, sondern an die nächste. Ich denke auch nicht daran, dass ich noch vierzig Jahre arbeiten muss, um weiter in Form zu bleiben, sondern ich freue mich auf den nächsten Besuch hier.“ Und das ist letztlich das Rezept, um sich zurück zu kämpfen: Nicht auf die 80 Kilo schauen, die andere mehr stemmen als Du, sondern auf die 50 Kilo, die Du schon schaffst – zumindest manchmal. Kurz.

Erste Wohlfühlzonen

Wobei ich meine ersten Wohlfühlzonen entdecke: das Stemmen mit den Beinen etwa. Da kann ich meine Belastung relativ schnell steigern. Zum einen mag ich das Gerät, auch weil ich es relativ schnell verstanden habe. Und zum anderen sind meine Beine vergleichsweise gut trainiert. Das verdanke ich unter anderem meinem Jagdterrier und den fünf Stockwerken, die ich jeden Tag drei bis fünf mal über die Treppe erklimme.

Daher sind meine Beine fit. Dachte ich zumindest. Denn Torben reist mich wieder aus der Wohlfühlzone raus. Wir üben den Ausfallschritt. Witze, mit Totalausfall liegen jetzt in der Luft – sind aber zu einfach. Wieder tut der Seitenblick auf Anja weh: Wie mühelos sie das Gym7 in Ausfallschritten durchschreitet, während ich nach jedem dritten Schritt umzukippen drohe…

„Du bist stemmig gebaut“, begründet Torben meine Probleme. Das deckt sich mit meinen eigenen Erfahrungen. Hüftsteif war ich schon immer. Die Frauen, die mit mir getanzt haben, werden das auch sofort unterschreiben. Als ich gerungen habe, habe ich meine langen Arme und meinen schnellen Kopf genutzt, um meine Gegner frühstmöglich runter zu kriegen, waren wir erst mal im Infight, sah es schlecht um mich aus.

Also nicht auf Anja schauen, sondern ihre Worte berücksichtigen: Nicht an die 120 Ausfallschritte denken, sondern an den nächsten. Nicht über den dritten ärgern, bei dem du die Balance verlierst, sondern sich über den ersten freuen, der geglückt ist. Halbwegs.

Böses Zeichen

Wir spekulieren über den Muskelkater, der mir am nächsten Tag droht. Dieses mal nicht in den Armen, sondern in den Beinen. Dem Ausfallschritt sei Dank. Und machen noch weitere Übungen, die ich nicht mag. Etwa das Dehnen auf den Zehenspitzen. Da ist es eine Wohltat, zurück zu den Geräten zu kommen.

Was mir hilft: Ich bin jetzt das siebte mal hier. Und nicht ein einziges mal dumm angemacht worden. Obwohl hier eindeutig unteres Kreisklassenniveau auf ambitionierte Ober- bis Bundesliga trifft, rümpft keiner die Nase oder bringt blöde Sprüche gegen den Kreisligisten an. Das gilt auch für die, die fitter als ich, aber auch noch weit von ihrer Idealform sind.

So quäle ich mich durch meine Liegenstützen. Habe Spaß, wenn ich an Geräten sagen kann, dass wir ruhig 10 oder 20 Kilo drauf legen können. Und komme so motiviert durch meine Übungen und immer noch auf eigenen Füßen unter die Dusche.

Der Muskelkater bleibt am nächsten Tag aus. Meine Beine sind eindeutig fitter als meine Arme. Aber es kribbelt im rechten, großen Zeh. Und die Erfahrung zeigt: Das ist ein böses Zeichen. Ein richtig böses Zeichen.

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