Die Ministerpräsidentenkonferenz verlängert die diffuse deutsche Pandemie-Politik. Öffentlich geben sich die Verantwortlichen gerne hart, versuchen aber auch die Gegner mitzunehmen. Am Ende ist nur eine Gruppe zufrieden: Menschen, die sich an staatlichem Säbelrasseln erfreuen – ohne über Sinn und Erfolg von Politik nachdenken zu wollen.


Der Widerspruch ist der rote Faden, der sich durch die Pandemie-Politik zieht. An der sind über die Länder auch FDP, Linke und Grüne beteiligt. Zum Beispiel Urlaub: Nach Mallorca fliegen ist weiter möglich, in der Eifel oder an der Nordsee übernachten aber nicht. Die Auslandsurlauber müssen nach ihrer Rückkehr in keine Quarantäne. Aber ab jetzt gilt eine Testpflicht. Das ist der Versuch, staatliche Entschlossenheit zu zeigen. Doch es gerät zur Parodie staatlicher Entschlossenheit.

Zum Beispiel Einkaufen. Supermärkte bleiben am Gründonnerstag geschlossen. Kippen, Kaffee und Kondome gibt es aber weiterhin an Tankstellen. Entscheidend ist nicht, dass es dann halt dort zu Kontakten kommt. Sonntags sind in Tankstellen die Schlangen immer länger. Entscheidend ist die staatliche Entschlossenheit. Also sie zu zeigen.

Jede Menge Sprachmüll

Die erweiterten Ruhetage würden helfen, die Infektionswelle zu mindern. Nachts war dazu  zwischenzeitlich von „Wellenbrecher“ die Rede. Dann dürfte aber jemand klar geworden sein, dass diese Sprachregelung schon im November mit einem Projekt verbrannt wurde. Das wurde lange als großer Erfolg gefeiert, dann gab es eine kurze Phase des weggemurmelten nichtganzsoerfolgreich und seitdem ein anhaltendes Reden-Wir-Nicht-Mehr-Drüber.

Ohnehin ist der Sprachmüll ein Ärgernis, mit dem die Ministerpräsidentenkonferenz versucht, ihr Versagen zu überspielen: „Super-Lockdown“, „Team Vorsicht“, „Paradigmenwechsel“… – das klingt ein bisschen wie ein Kurs der Volkshochschule „Marketing für Anfänger“, in dem sich die Teilnehmer zu Beginn mit einem Brainstorming am Setzen von Schlagwörtern üben.

Laut stark überspielter Dilettantismus. Säbelrasseln statt Handeln. Das ist die Essenz der deutschen Pandemiepolitik. Aber die peinliche Kommunikation ist keine Ursache der deutschen Krise – sondern nur eine Begleiterscheinung.

Warn-App Luca spielt keine Rolle

Zum Beispiel Warn-App. Die App Luca des Rappers Smudo ist der staatlichen Warn-App turmhoch überlegen. Doch in den Beschlüssen der Ministerpräsidentenkonferenz spielt sie keine Rolle. Das scheint wie ein Widerspruch und kein Verantwortlicher erklärt das. Das ist allerdings nicht sprachliches Unvermögen. Die Gründe für diesen Verzicht lassen sich einfach benennen:

Wir haben in den vergangenen Jahren über vieles diskutiert, aber das Zukunftsthema Digitalisierung verpennt.

Wir haben es versäumt, die Gesundheitsämter mit Software auszustatten, die die Ergebnisse der App oder anderer Apps verarbeiten können.

Wir haben dem quasi staatlichen Unternehmen Telekom einen bräsigen Ausbau des Breitbands zugestanden. Auch dass die Telekom Initiativen zu einem schnelleren Ausbau gebremst hat, weil es nicht in ihrem wirtschaftlichen Interesse lag, das Feld zu teilen. Im Gegenzug sind dann immer wieder Mitarbeiter der ersten bis dritten Reihe der Politik in guten Jobs bei der Telekom untergekommen.

Demonstrieren verboten

Einfach zu verstehende Gründe. Aber Klarheit ist nicht der Freund der Ministerpräsidentenkonferenz in der Pandemie-Politik. Der Sprachnebel, die Verkündigung der Regeln mitten in der Nacht – das ist nicht der gescheiterte Versuch einer Kommunikation. Das ist der laufende Versuch mit Säbelrasseln das eigene Scheitern zu übertönen.

Zwischen all den Kanns, Solls und Appellen gibt es eine Regelung, die eindeutig ist: Öffentliche Ansammlungen sind – vorerst – über Ostern in jeder Form verboten. Himmlische Wesen anzubeten, ist weiterhin erlaubt. Gegen die Politik der Ministerpräsidentenkonferenz dürfen die Bürger aber nicht demonstrieren. In einer Zeit der Widersprüche ist das wenigstens mal ein Moment stringenter Logik.

Am Ende einfach Willkür

Das Grundrecht auf Demonstration kann durch den Virus ausgehebelt werden. Um den Mallorca-Irrsinn zu stoppen oder wenigstens zu reglementieren aber nicht. Da verweist Merkel auf Gesetze. Passen die der Bundeskanzlerin und ihrem „Team Vorsicht“, sind sie unumstößlich. Stören die Gesetze – oder Grundrechte – lassen sie sich in einer nächtlichen Pressekonferenz wegnuscheln.

Gesetze beruhen auf Logik. Sie müssen immer gelten, um die Menschen zu schützen. Das gilt auch für Ausnahmerecht. Kann die Kanzlerin entscheiden, welche Gesetze eingehalten werden müssen und welche ausgesetzt werden können, dann ist das Willkür. Und brandgefährlich.

Das militärische Säbelasseln zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatte lange lustige Züge. Über Preußen lassen sich herrliche Komödien schreiben. Doch dann schlug es in blutigen Ernst um. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat sich und der Regierung zum Beginn der Pandemie einen Blankoscheck ausgestellt: Danach werde man sich viel zu verzeihen haben. Doch jetzt passieren Fehler, die sind unverzeihlich.