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Nachrichten Bad Kreuznach

| „Die Polizei, dein Freund und Helfer“ – Diesen Satz hört man des Öfteren. Doch wer steckt eigentlich hinter der Uniform? Bei allem Lob und aller Kritik gegenüber der Polizei, wird die Antwort auf diese Frage häufig vergessen. Denn hinter jeder Uniform steckt ein Mensch. Boost your City hat die Polizisten Stefan May und Viktoria Hoemann bei ihrer Arbeit begleitet. Im Anschluss daran haben wir mit den beiden über ihren Beruf als Polizist gesprochen.


Gespräch unter Einhaltung der Corona-Regelungen

Bei einer Tasse Kaffee haben die beiden im Aufenthaltsraum der Polizeidienststelle Bad Kreuznach erzählt, was sie zur Polizei brachte, was sie dort hält und wie sie ihren tagtäglichen Dienst erleben. Das Ganze geschah natürlich an einem großen Tisch mit viel Abstand und unter Einhaltung der aktuellen Corona-Regelungen.

Der 31 Jahre alte Stefan May ist seit zehn Jahren bei der Polizei in Bad Kreuznach. Im vergangenen Jahr wurde er zum Polizeioberkommissar befördert. Die 23 Jahre alte Viktoria Hoemann ist Polizeikommissarin. Sie hat vor rund einem Jahr ihr Polizeistudium beendet und ist seitdem auf der Dienststelle in Bad Kreuznach beschäftigt.

Wie sind Sie zum Polizeiberuf gekommen?

Auf die Frage, wie die beiden zum Polizeiberuf gekommen sind, hätten die Antworten unterschiedlicher nicht sein können. Viktoria Hoemann erzählte: „Bei mir war es eigentlich nie der Plan, dass ich zur Polizei gehe. Nach der Schule habe ich zuerst etwas anderes studiert, das hat mir allerdings nicht gefallen. Meine Mutter hatte mich dann auf die Idee gebracht zur Polizei zu gehen. Nachdem ich ein paar Tage darüber nachgedacht hatte, habe ich mich dann beworben. Das war also ganz untypisch eigentlich. Zuvor war auch niemand in der Familie bei der Polizei, wie es ja oft der Fall ist.“

Stefan May hingegen berichtet, er habe schon immer den Traum gehabt bei der Polizei zu arbeiten: „Für mich war es schon immer klar, dass ich zur Polizei gehe, mein Vater war auch bei der Polizei. Aber auch abgesehen davon hat mich der Job schon immer interessiert. Nach rund 10 Jahren, wo ich den Job jetzt schon mache, macht es mir noch immer jeden Tag Spaß zur Arbeit zu kommen und in dem Beruf zu arbeiten. Auch Kleinigkeiten wie bei der Fußstreife mal einfach kurz mit den Menschen zu quatschen, macht mir Freude.

Gibt es Dinge, die weniger oder mehr Spaß machen?

Wie in jedem Beruf, gibt es wohl auch als Polizist Dinge, die man gerne tut und Dinge, auf die man hin und wieder verzichten könnte. Wir haben nachgefragt und Viktoria Hoemann erklärte: „Kleinere Parkunfälle sind natürlich weniger spektakulär. An manchen Tagen hat man das Gefühl, dass den ganzen Tag nur solche Kleinigkeiten passieren. Das ist aber doch eher selten der Fall. Meistens ist es ein gutes Maß an Abwechslung was wir hier erleben. Der Kontakt mit dem Bürger ist natürlich auch ein Aspekt des Berufs, der immer wieder aufs Neue schön ist.“

Welcher ist der schönere Dienst? Tag- oder Nachtdienst?

Die Polizei ist rund um die Uhr für die Bürger im Einsatz. Sie sorgen für Ordnung und Sicherheit und sind nicht selten auch der erste Ansprechpartner in schwierigen Situationen. Wer sich für den Beruf entscheidet, sollte sich bewusst sein, dass Schichtarbeit zur Tagesordnung gehört. Wie sich die einzelnen Schichten unterscheiden und welche Schichten den beiden am meisten Spaß machen erfuhren wir ebenfalls im Gespräch.

„Die Abwechslung macht es natürlich. Man merkt zwischen den Diensten aber doch unterschiede. Im Frühdienst passieren beispielsweise doch eher viele Verkehrsunfälle. Der abwechslungsreichste und umfangreichste Dienst ist für mich persönlich aber der Spätdienst. Das ist auch ein sehr angenehmer Dienst. Man kann morgens ausschlafen und kommt trotzdem am Abend noch nach Hause.“, erklärte Stefan May.

Viktoria Hoemann ergänzte: „Das sind zwar dann meistens auch was die Auftragsdichte angeht die anstrengendsten Dienste, aber halt eben auch die spannendsten.“ In der Spätschicht passiere am meisten und auch die unterschiedlichsten Dinge. Von Verkehrsunfällen über Körperverletzungen bis hin zu Familienstreitigkeiten sei alles dabei. In der Frühschicht hingegen habe man es häufig mit Unfällen zu tun.

Man hilft sich untereinander

Wie Stefan May weiter mitteilt, deckt die Polizei Bad Kreuznach rund 50 bis 60 Städte und Gemeinden ab. Dabei werden die Polizisten immer dort eingesetzt, wo sie gerade gebraucht werden. Eine Einteilung der Polizisten nach Region gebe es nicht, das sei auch gar nicht machbar. „Wir haben allerdings Gemeinden, da hatte ich in den 10 Jahren noch nie einen Einsatz. Dafür haben wir natürlich auch Orte, in denen wir sehr häufig sind.“

Viktoria Hoemann erklärt, dass sich die verschiedenen Polizeidienststellen auch gegenseitig unterstützen: „Sollte bei uns mal viel los sein, bekommen wir da natürlich auch Unterstützung von anderen Polizeistationen. Genauso helfen wir natürlich gerne bei anderen mal aus.“

„Wenn es bei anderen Polizeistationen mal ganz knapp wird, dann kommen auch mal Anfragen, wer einen kompletten Dienst auf einer anderen Polizeistation machen kann. Das passiert aber wirklich nur, wenn Bedarf ist. Wir haben ja auch noch eine Bereitschaftspolizei, die da auch einspringen kann. Bei uns ist das halt sehr viel Improviation. Wir wissen nicht was in den nächsten fünf Tagen passiert und können nicht so planen wie beispielsweise der Einzelhandel, der weiß, dass vor Weihnachten viel los ist.“, erklärt Stefan May weiter.

Ist es schwierig direkt umzuschalten, wenn von jetzt auf gleich ein Einsatz kommt?

Als Polizist weiß man nur sehr selten welcher Einsatz einen als nächstes erwartet oder wann dies sein wird. Häufig kommt es vor, dass man gerade auf der Dienststelle in einen Bericht vertieft ist und man plötzlich zu einem Einsatz muss. Innerhalb kürzester Zeit muss man dann umschalten können und sich vollkommen auf den aktuellen, vielleicht sogar nicht ganz ungefährlichen Einsatz konzentrieren. Wir wollten wissen, wie das funktioniert.

Stefan May lehnt sich schmunzelnd zurück und berichtet: „Davon hatten wir gerade gestern die Rede. Das ist eine absolute Lernphase. Bei Einsätzen wo mir zu Beginn der Puls bis zum Hals geschlagen hat, habe ich heute gefühlt einen Puls von 80. Selbst wenn es mal hektischer zugeht, bleibt man irgendwann ruhig, sodass schon sehr viel passieren muss, dass der Stress dann mal das rationale Denken übersteigt. Da gehen auch die Gedankengänge mit der Erfahrung immer schneller. Das ist aber kein Prozess, der innerhalb von wenigen Wochen machbar ist. Das dauert Jahre.“

Kommunikation sei in dem Beruf das A und O, berichtet der Polizeioberkommissar weiter: „Selbst wenn ich mal an etwas nicht denke gibt es irgendeinen Kollegen, sei es meine Kollegin, mit der ich raus fahre oder der Kollege am Funk, der mir den richtigen Denkanstoß gibt. Je länger man mit einem Partner zusammenarbeitet und raus fährt, umso wortloser funktioniert die Kommunikation auch. Irgendwann ist man dann an einem Punkt an dem man sich nur noch anschaut und weiß was der andere gerade denkt. Das ist dann auch für das Gegenüber besser, wenn eine Polizei vor Ort ist, die dann entschlossen handelt.“

Bleibt auch nach Jahren noch ein mulmiges Gefühl bei manchen Einsätzen?

„Man kann den Menschen nur vor den Kopf schauen“ – Ein Sprichwort, dass sich wohl auch im Polizeiberuf immer wieder bewahrheitet. Weil man nie weiß, wie das Gegenüber reagiert, kann selbst der zunächst harmlos wirkende Einsatz Überraschungen bereithalten. Bei anderen Einsätzen hingegen ist von vorne herein klar, dass die Sache vermutlich nicht ganz ungefährlich wird. Wie geht man damit um? Bleibt eine Grundangst oder ein mulmiges Gefühl auch nach jahrelanger Erfahrung noch?

Stefan May, der bereits zehn Jahre Erfahrung in dem Beruf hat erklärt: „Das ist ganz ganz viel Bauchgefühl, welches man natürlich mit der Zeit entwickelt. Trotzdem bleibt es natürlich ein schmaler Grad, wenn ich entscheide ob ich einem aggressiven Mann direkt die Handfesseln anlege oder zunächst erst versuche mit ihm zu sprechen. Wenn man da nicht direkt agiert, bleibt natürlich ein Risiko, das man selbst einschätzen muss. Eigensicherung geht natürlich letztendlich immer vor. Es kommt auch häufig vor, dass Personen zuerst ganz ruhig sind und dann innerhalb einer Sekunde einen Schalter umlegen und extrem aggressiv werden. Das habe ich selbst schon mehrfach erlebt. Meistens sind dann Drogen oder Alkohol im Spiel oder die Menschen sind psychisch krank. Das ist eben unser Problem. Man kann es zwar einschätzen aber 100 Prozent sicher weiß man es nie.“

Viktoria Hoemann berichtet, wie sie das Ganze empfindet: „Ich würde nicht unbedingt sagen, dass man da von Angst sprechen kann. Aber man wird zumindest vorsichtig und irgendwann hat man ein Gefühl dafür, wie das Gegenüber so tickt. Das verbessert sich auch mit der Zeit und ich merke bereits nach einem Jahr in dem ich jetzt dabei bin, dass es besser ist als noch zu Beginn meiner Zeit als Polizistin. Man muss bei Kontrollen natürlich auch entscheiden, ob man eine große Gruppe direkt kontrolliert oder wartet und erst eine weitere Streife hinzuzieht.“

Welcher Einsatz hat Sie besonders geprägt?

Als Polizist erlebt und sieht man Dinge, die nicht alltäglich sind und die meisten Menschen nie in ihrem Leben live zu Gesicht bekommen. Damit umzugehen ist nicht immer einfach. Im Gegenteil. Manche Einsätze vergisst man wohl nie. Wir haben nachgefragt und wollten wissen, welcher Einsatz besonders prägend war.

Stefan May erzählte offen von einem Fall, der ihn zu dieser Zeit sehr mitgenommen und beschäftigt hat: „Ich hatte vor einiger Zeit mal einen Vermisstenfall. Ein Mann kam hier auf die Polizeidienststelle und hatte seinen Sohn als vermisst gemeldet. Wir haben umfangreiche Suchmaßnahmen eingeleitet, den jungen Mann allerdings zunächst nicht gefunden. Sein Vater war ungefähr im Alter von meinem Vater, da zieht man natürlich auch irgendwo Vergleiche und überlegt sich, wie es wohl für meinen Vater wäre. Ich konnte nächtelang nicht richtig schlafen und der Fall hat mich einfach nicht losgelassen. Nach einiger Zeit wurde dann eine männliche Leiche in der Nahe gefunden. Als ich das hörte, hatte ich bereits ein Gefühl und wollte unbedingt selbst zu dem Einsatz fahren. Schließlich bin ich auch hingefahren und habe geholfen, den Mann aus dem Wasser zu holen. Es hat sich herausgestellt, dass es sich dabei tatsächlich um den vermissten jungen Mann handelte. Als ich später dann den Vater des Verstorbenen im Rahmen meiner Arbeit wieder sah, umarmte er mich. Er bedankte sich bei mir, dass ich mich der Sache angenommen hatte. Ab diesem Zeitpunkt konnte ich wieder ruhiger schlafen. Ich konnte den Fall gedanklich abschließen und musste nicht mehr darüber nachdenken, wo der Vermisste sein könnte. An diesen Fall denke ich noch heute häufig zurück.“

Wie hat sich der Umgang mit der Polizei in den letzten Jahren verändert?

Immer öfter liest man in den Medien von Gewalt gegen die Polizei. Beamte werden bespuckt, beleidigt oder sogar angegriffen. Wir wollten wissen, wie die Erfahrungen im tagtäglichen Dienst sind und inwiefern sich das Verhalten der Bürger gegenüber der Polizei geändert hat

Stefan May erklärt dazu: „Da gibt es natürlich Statistiken was die Gewalt gegen die Polizei angeht, das steigt auch stetig. Aber generell merkt man auch im Dienst, dass öfter mal ein dummer Spruch auf der Straße fällt von jemandem. Und das ohne, dass wir etwas gemacht haben oder dem etwas Böses wollen. Man versucht auch öfter mal die Polizei in der Öffentlichkeit bloßzustellen. Das kommt zwar nicht täglich vor aber doch schon häufiger als noch vor zehn Jahren als ich angefangen habe.“

„Man lernt da mit der Zeit ruhig zu bleiben. Es gibt auch Situationen wo Leute auf einen einreden oder wirres Zeug reden. Das lernt man auch, dass das links rein und rechts raus geht und man davon nicht genervt ist. Wenn es in Richtung Beleidigungen geht, ist das dann natürlich wieder etwas anderes.“, ergänzt Viktoria Hoemann.

Ist es als Frau etwas anderes in bestimmten Situationen?

Noch immer sind Frauen in manchen Berufen fast gar nicht oder sehr selten vertreten. Bei der Polizei hat sich das in den vergangenen Jahren stark verändert und immer mehr Frauen üben den Beruf aus. Doch machen sich eigentlich noch Unterschiede in der täglichen Arbeit als Polizistin bemerkbar?

Die 23 Jahre alte Polizeikommissarin ist nun seit rund einem Jahr im Dienst und berichtet von ihren bisherigen Erfahrungen: „Bis jetzt hatte ich noch nicht das Gefühl, dass Bürger zu mir herabwürdigender sind, weil ich eine Frau bin. Die Leute sind mir immer auf gleicher Augenhöhe entgegengetreten. Was mir hin und wieder auffällt, ist dass manche Personen dann eher mit meinem Kollegen sprechen als mit mir aber das kommt auch eher selten vor. Bei Gewalt in den Partnerschaften beispielsweise spreche ich dann natürlich mit der Frau und mein Kollege mit dem Mann. Das kommt immer besser an. Letztendlich ist es aber in vielen Situationen nach wie vor das Bauchgefühl, das uns entscheiden lässt, wie wir vorgehen.“

Ein entscheidender Eindruck bleibt

Nach dem Gespräch ist ein Eindruck besonders deutlich: Hinter jeder Uniform steckt ein Mensch. Denn Polizisten sind Menschen wie jeder andere auch, mit guten Tagen und mit etwas schlechteren Tagen. Sie machen ihre Arbeit so gewissenhaft und gut wie möglich. Dennoch sind und bleiben es Menschen, die hin und wieder auch mal eine Fehlentscheidung treffen. Die vielleicht einen schlechten Tag haben, weil die Tochter krank zuhause liegt oder es den eigenen Eltern nicht gut geht. Die vielleicht einfach auch mal sehr wenig geschlafen haben oder kurz zuvor einen sehr belastenden oder prägenden Einsatz erlebt haben. Bei allem Verständnis, das die Polizei den Bürgern so oft entgegenbringt, sollte man auch etwas Verständnis für den Polizist als Mensch haben.

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