Am Donnerstag, 1. September 2022, wurde in einer Feierstunde auf Initiative der Bundesingenieurkammer eine Metalltafel an der Nibelungenbrücke in Worms angebracht. Die Kammer ehrt damit für die Öffentlichkeit sichtbar die Straßenbrücke aus dem Jahr 1953 als „Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland“.
Pionierleistung der damaligen Konstrukteure
Die außergewöhnliche Pionierleistung der damaligen Konstrukteure Ulrich Finsterwalder und Gerd Lohmer und die besondere bauhistorische Bedeutung der Wormser Nibelungenbrücke als erste Rheinbrücke im Freivorbau sind unbestritten. Das technische Pionierbauwerk hat in den frühen fünfziger Jahren das Fundament für das weltweite Bauen von Spannbetonbrücken großer Spannweiten im Freivorbau bereitet. Lohmer und Finsterwalder gebühren höchste Anerkennung für ihre Leistungen im Brückenbau.
Die alte Nibelungenbrücke wurde 1953 regelkonform nach den seinerzeit gültigen Richtlinien, sowie für die damals absehbare Verkehrsbelastung errichtet
Im Jahr 2005 wurde sie vor der geplanten Sanierung statisch nachgerechnet. Ziel war es, die seinerzeit gültige Brückenklasse 60/30 – und somit eine zukunftsfähige Tragfähigkeit – zu erreichen. Die Nachrechnung stellte fest, dass notwendige Verstärkungen aus technischen Gründen nicht ergänzt werden konnten. Unter Beteiligung der Rheinland-Pfälzischen und der Hessischen Straßenbauverwaltungen, sowie des Bundesministeriums für Verkehr wurde im Jahr 2008 festgelegt, dass die geplante Instandsetzung ab 2010 wirtschaftlich für eine Reststandzeit von 15 bis 20 Jahren erfolgen soll. Ein Ersatzneubau soll ab dem Jahr 2028 fertig gestellt sein. Die in 2013 abgeschlossene Sanierung war insofern bereits mit dem Ziel eines Ersatzneubaus konzipiert. Es ist nach dem Stand der Technik aus statischen Gründen (Defizite bei der Schubtragfähigkeit) auch nicht mehr aus dem alten Bauwerk „herauszuholen“.
Hintergrund und Sachstand Planung Ersatzneubau
Der LBM Worms bereitet seit April 2019 die Abstimmungen und Planungen für den Ersatzneubau der alten Nibelungenbrücke, gemeint ist nur die 320 Meter lange Strombrücke, vor. Die Vorlandbrücken auf hessischer (285 Meter Länge) und auf rheinland-pfälzischer Seite (140 Meter Länge) bleiben bestehen. Eine Ertüchtigung der alten Nibelungenbrücke aus dem Jahr 1953 mit dem Ziel einer Tragfähigkeit nach dem heutigen gültigen Regelwerk, sowie einer Sicherung der Dauerhaftigkeit sind bei dem gegebenen Tragwerk in der Vergangenheit untersucht worden und im Ergebnis der Überprüfung als nicht bautechnisch machbar festgelegt worden. Das Bauwerk hat nach aktuellem Technischen Regelwerk Defizite bei der Schubtragfähigkeit, die zu einer theoretischen Standzeit bis zum Jahr 2028 führen.
Bei den für Großprojekte üblichen mehrjährigen Planungszeiten und einer geschätzten Bauzeit von zwei bis drei Jahren macht es Sinn, den Planungsprozess früh anzugehen
Im Rahmen der laufenden Planung für einen Ersatzneubau und den damit einhergehenden Abstimmungen führen das Bundesministerium für Digitales und Verkehr und der Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz mit der Direktion der Landesdenkmalpflege der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz, sowie dem Landesamt für Denkmalpflege in Hessen seit Frühjahr 2021 einen fachlichen Dialog über die Bedeutung der Nibelungenbrücke als Kulturdenkmal und die Berücksichtigung der bauhistorischen Besonderheit als Mutter aller vorgespannten Rheinbrücken im Freivorbau. Die Denkmalfachbehörden beider Bundesländer setzen sich aufgrund des hohen Denkmalwertes der Brücke verständlicherweise für einen Erhalt der Nibelungenbrücke ein.
Das Ergebnis dieses Dialoges und die Festlegung der weiteren Vorgehensweise durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr bleiben abzuwarten
Der LBM Worms hat zwischenzeitlich parallel zu diesem Dialog neue Untersuchungen der Nibelungenbrücke beauftragt. Diese Untersuchungen sollen zum einen vertiefende Erkenntnisse über den Umfang der Korrosion der Spannstahlbewehrung liefern und in einem weiteren Schritt die Tragfähigkeit durch eine Nachrechnung nach neuesten wissenschaftlichen Methoden überprüfen. Zusätzliche Erkenntnisse über die Restnutzungsdauer sollen aus dem Forschungsvorhaben „Hundert plus – Verlängerung der Lebensdauer komplexer Baustrukturen durch intelligente Digitalisierung“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft gewonnen werden, für das die alte Nibelungenbrücke als Validierungsobjekt ausgewählt wurde. Im Rahmen dieses Projekts soll ein „Digitaler Zwilling“ des Bestandsbauwerks erstellt und mit bereits bekannten Bauwerksinformationen, bspw. mit lagerichtiger Verortung vorhandener Schäden, angereichert werden. Ergänzend sollen Monitoringdaten (z.B. Temperatur, Feuchte, Dehnungen, Schwingungen etc.) in den „Digitalen Zwilling“ integriert werden, so dass aussagekräftige Zustandsindikatoren abgeleitet werden können. Ziel ist es, den Zustand ausgewählter Bauwerksteile in Echtzeit einzusehen und damit die Möglichkeiten digitaler Technologien für die Nutzungsdauerverlängerung von Brückenbauwerken zu erforschen. Ein Zeitpunkt zur Vorlage aussagekräftiger Ergebnisse kann noch nicht genannt werden.
Sanierung der Nibelungenbrücke Worms zwischen 2010 bis 2013
Nachdem die neue Rheinbrücke Worms im September 2008 fertiggestellt wurde, konnte im Auftrag von Hessen Mobil im Frühjahr 2010 damit begonnen werden, die alte Nibelungenbrücke zu sanieren. Die gesamte Fahrbahn auf den sogenannten Vorlandbrücken (Baujahr 1900) aus Beton musste abgebrochen und in Leichtbeton-Bauweise neu hergestellt werden. Über dem Rhein, damit ist die Strombrücke gemeint, wurde im Wesentlichen die sogenannte „Biegebruchtragfähigkeit“ der Strombrücke verbessert sowie eine grundhafte Sanierung des Betons, der Fahrbahnübergänge und der Brückenlager vorgenommen. Die Verbesserung der Biegebruchtragfähigkeit konnte durch den Einbau zusätzlicher Spannglieder in den Hohlkästen der Stege unterhalb der Fahrbahn erreicht werden. Im weiteren Verlauf der Sanierungsarbeiten wurden Fahrbahnbeläge, Abdichtungen, Geländer, Schutzplanken und die Straßenbeleuchtung erneuert. Schadhafter Beton wurde instandgesetzt und eine neue Entwässerung eingebaut. Das Mauerwerk der historischen Wände und Bögen der Vorlandbrücken aus der Zeit um 1900 wurden saniert und instandgesetzt. Die Nibelungenbrücke wurde im Herbst 2013 wieder für den Verkehr freigegeben werden. Die Sanierung der alten Rheinbrücke unter Federführung von Hessen Mobil hat rund 13,6 Millionen Euro gekostet. Die Hälfte der Kosten entfiel ungefähr auf die Vorlandbrücken, die andere Hälfte auf die Strombrücke.