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Zukunftsfähig durchstarten, das haben viele Unternehmerinnen und Unternehmer pandemiebedingt getan oder tun müssen. Entstanden sind zukunftsweisende Ansätze, was aus Krisen entstehen kann. Das macht Hoffnung, auch wenn wir aktuell in eine neue Krise geraten sind, die uns allen bewusst macht, dass Frieden und Freiheit nicht selbstverständlich sind. Wir können dennoch gemeinsam die Ärmel hochkrempeln und Gutes voranbringen – hier vor Ort, in Europa und darüber hinaus.

In unserer mehrteiligen Serie „Zukunftspotenziale von Unternehmen in unserer Region“ zeigen die Interviewpartnerinnen und -partner wie sie trotz aller Herausforderungen, mit Tatkraft –immer wieder- zukunftsfähig durchstarten.

In dieser Folge sprachen wir mit Torsten Baur von der Mainzer Volksbank über die Veränderungen in der Pandemie und neue Zukunftstrends

Torsten Baur ist seit 2007 bei der Mainzer Volksbank in unterschiedlichen Positionen beschäftigt. Seit mehreren Jahren ist er Leiter der Geschäftskundenberatung von Kleinunternehmern, Freiberuflern und Selbstständigen, mit in der Regel bis zu 10 Angestellten und einem Umsatzvolumen von meist unter einer Millionen Euro.

Was hat sich aus Ihrer Sicht in den letzten beiden Jahren durch die Pandemie bei den Unternehmen verändert? 

Es gab grundlegende und tiefgreifende Veränderungen, die sich vermutlich auch zu einem großen Prozentsatz auf die Zukunft auswirken werden. Für uns selbst im Finanzierungsbereich ging die Pandemie so richtig los im März 2020. Als damals der erste Lockdown kam, war die Not bei den Firmen nachvollziehbarer Weise groß. Viele Unternehmer hier aus der Region haben uns damals angesprochen, weil für sie das Thema Planungssicherheit und Liquidität auf dem Spiel stand. Sie hatten Bedenken, dass sie ihr Geschäft schließen müssen und/oder ihre Mitarbeiter nicht mehr bezahlen können. Da sind natürlich ganz viele Emotionen mit im Spiel bei solchen Gesprächen, geht es doch um das Lebenswerk vieler Kunden. Wir haben dann im ersten Schritt, auch mit Hilfe der öffentlichen Förderinstitute wie ISB und KfW, unsere Kunden bestmöglich unterstützt.

Diese tiefgreifenden Veränderungen in den letzten zwei Jahren sieht man besonders in den unmittelbar betroffenen Branchen, wie der Hotellerie oder Gastronomie aber auch im Eventbereich. Hier war es leider lange Zeit so, dass die Umsätze größtenteils weggebrochen sind oder aktuell nach wie vor wegbrechen. Um mal ein Beispiel zu nennen: Ich betreue selbst einen langjährigen Kunden, der im Bereich Messebau und -planung unterwegs ist und das auch sehr erfolgreich vor Corona war. Bei ihm sind die Umsätze massiv gesunken. Auch dieser Unternehmer hat dann versucht sich anderweitig auszurichten, beispielsweise in Richtung Digitalisierung oder in Bezug auf die Erstellung und den Vertrieb von Hygienekonzepten. Trotzdem ist das Kerngeschäft zum Erliegen gekommen. Bei dem Kunden ging es im ersten Schritt auch weniger darum, wie wir als MVB monetär helfen können, sondern eher darum, erstmal ein offenes Ohr für die Menschen zu haben. Im zweiten Schritt haben wir dann über die Kommunikation mit dem Kunden, dessen Unternehmensberater und/oder Steuerberater versucht, eine bestmögliche finanzielle Unterstützung zu gewähren.

Was wir auch bei vielen Unternehmern gemerkt haben, ist die Fokussierung auf das mobile Arbeiten und die Digitalisierung. Ich glaube, hier haben sich zu Beginn erstmal viele Unternehmer dagegen gesträubt, was aufgrund einer beispielsweise erfolgreichen Unternehmenshistorie durchaus verständlich ist. Trotzdem haben wir bei unseren Kunden mit der Zeit festgestellt, dass das Thema gar nicht mehr wegzudenken ist. Die Unternehmen haben gemerkt, dass die Dinge schneller und einfacher geklärt werden können. Was das Thema Digitalisierung angeht, hat die Wirtschaft, glaube ich, einen großen Sprung nach vorne gemacht und das Dilemma als Chance ergriffen. Das merke ich auch am Kundenanspruch. Viele sind es mittlerweile gewohnt, ihre Dinge einfach online zu erledigen, sodass man oft nicht mehr persönlich irgendwo hinmuss, um ein Angebot wahrzunehmen. Das bedeutet aber gleichzeitig, dass Unternehmer, die in dieser Entwicklung nicht mitgezogen sind, jetzt auch in der Zukunft ein Problem bekommen können. Trotzdem gibt es glücklicherweise weiterhin Themen im Bankengeschäft, wo es von Vorteil ist, wenn man gemeinsam an einem Tisch sitzt.

Bei der Digitalisierung hatte es vor allem der kleinere Unternehmer vermeintlich schwerer. Aber ich glaube, dass unter den Unternehmern im kleinen und mittleren Segment auch viele dabei waren, die den Umschwung erkannt haben und die Digitalisierung größtenteils erfolgreich umgesetzt haben. Natürlich gibt es nach wie vor noch Branchen, in denen Produkte und Services nicht digital angeboten werden können und die persönliche Dienstleistung Zukunft hat.

Was würden Sie sagen, was jetzt kurzfristig an Veränderungen noch passieren wird? 

Vor allem aus Sicht der Bank befürchte ich, dass die Anzahl an Insolvenzen zunehmen wird. Wenn man sich die Insolvenzstatistik der letzten zwei Jahre anschaut, stellt man fest, dass die Zahl der Insolvenzen kaum angestiegen ist. Das liegt an einem, wie ich finde, monetär guten Pandemiemanagement der Bundesregierung, wo man viel mit Zuschüssen, Beihilfen und Kreditfinanzierungsprogrammen gearbeitet hat. Gleichwohl sehen wir vor allem zwei Effekte:

  1. Als Mainzer Volksbank haben wir insbesondere über die KfW sehr viele Corona-Hilfskredite vergeben. Dabei haben wir oft mit tilgungsfreien Anlaufzeiten gearbeitet, um dem Aspekt der fehlenden Planbarkeit für unsere Kunden – bedingt durch die Pandemie – gerecht zu werden. Die Unternehmer haben also Kredite beantragt, um die Betriebsmittel und die Zahlung der Löhne sicherzustellen. Gleichzeitig haben sie sich für zwei tilgungsfreie Anlaufjahre entschieden. Dabei zahlt der Kunde in den ersten Jahren nur die Kreditzinsen an die KFW.  Bei vielen gehen jetzt demnächst entsprechend die Tilgungszahlungen los, was für einige eine erhebliche Mehrbelastung darstellen wird. Manche haben mit dem geliehenen Geld keine Werte schaffen können oder Investitionen finanziert, um künftig höhere Umsätze zu generieren, sondern lediglich ein entstandenes Loch gestopft. Dies sind also finanzielle Mittel, die zukünftig fehlen und die bei der Rückzahlung der beanspruchten Finanzierungen weh tun können.
  2. Das ist das Thema der gewährten Beihilfen des Bundes, wie die November- und Dezemberhilfen, die kürzlich nochmals verlängert wurden. Damals waren primär die Steuerberater gefordert, den Kunden zur Seite zu stehen, um diese Beihilfen zu beantragen. Die Kunden mussten eine Umsatzschätzung für die Zukunft abgeben. Je höher jedoch nachfolgend die tatsächlichen Umsätze ausfielen, umso höher ist dann auch der Betrag, den die Kunden zurückzahlen müssen. Meine Kollegen und ich stellen in unseren Beratungsgesprächen regelmäßig fest, dass vielen Kunden aktuell noch nicht bewusst ist, was somit auf sie zurollt. Entsprechend versuchen wir unsere Kunden für dieses Thema zu sensibilisieren. Hier sehen wir als MVB kurzfristig das Risiko, dass Unternehmen erneut in arge Liquiditätsprobleme kommen, es sei denn, die Politik schreitet hier nochmals ein.

Was ich kurzfristig noch an Veränderung sehe ist die Zunahme des Wettbewerbs um qualifizierte Fachkräfte. Die Flexibilisierung der Arbeitszeiten und -örtlichkeiten sowie weitere Angebote für Arbeitnehmer, sind zunehmend im Fokus der Arbeitgeber, was durch die Pandemie noch beschleunigt wurde.

Ich glaube, dass sich der Arbeitsmarkt zugunsten der Arbeitnehmer entwickelt und das dies ein großer Schritt in eine bessere Work-Life-Balance sein wird.

Möglicherweise wird das auch eine Veränderung für die Innenstädte zur Folge haben. Ein Beispiel: Ein Unternehmen mit Sitz in der Mainzer Innenstadt bietet seinen Mitarbeitern die Möglichkeit, mobil zu arbeiten. Aufgrund dieser Tatsache ist es nicht mehr zwingend notwendig, dass alle Mitarbeiter in der Firmenzentrale vor Ort sein müssen. Das versetzt den Unternehmer in die Lage, gegebenenfalls kleinere Räume an günstigeren Standorten außerhalb der Innenstadt zu nutzen. Der Standort in der Innenstadt kann dadurch aufgegeben und in der Folge als Wohnraum genutzt werden. Das hätte dann u. a. zur Konsequenz, dass zwar mehr Menschen in der Innenstadt wohnen können, jedoch weniger Berufstätige das gastronomische Angebot hier vor Ort nutzen. Diese Entwicklung hätte also unmittelbar Einfluss auf den Bereich Gastronomie.

Was sehen Sie langfristig für Veränderungen? 

Ich habe die Hoffnung, dass sich die Veränderung auch im Thema Regionalität und lokalen Produkten widerspiegelt. Viele Unternehmer haben jetzt aufgrund der Lieferkettenproblematik gemerkt, dass die Abhängigkeiten von anderen Regionen und Ländern doch sehr groß sind. Vielleicht kann sich hier der Eine oder Andere nochmals zurückbesinnen und sich überlegen, ob er nicht diverse Produkte auch lokal beziehen kann, weil man damit gegebenenfalls andere Möglichkeiten bei auftretenden Lieferengpässen hat. Auch wenn man die Globalisierung nicht aufhalten kann, habe ich die Hoffnung, dass die Regionalität wieder mehr an Bedeutung gewinnt. Dies könnte dann letzten Endes sogar bis zum Verbraucher ausstrahlen, der dann möglicherweise bereit ist, für regionale Produkte etwas mehr zu bezahlen. Da sind wir, denke ich, alle ein Stück weit selbst in der Verantwortung.

Auch beim Thema Telemigration hat sich etwas verändert. Durch die Pandemie wurde es nochmals unwichtiger, wo derjenige sitzt, der mir eine Leistung erbringt. Also ob derjenige hier sitzt oder in einem ganz anderen Teil der Welt, ist dann oftmals leider nicht relevant. Bei dieser Entwicklung ist auch die Gefahr gegeben, dass Unternehmer sich dazu entscheiden am Personalaufwand zu sparen und einiges ins Ausland zu verlagern, wo die Kosten teils einfach geringer sind. Da spielt sicherlich auch die Unternehmensgröße eine Rolle. Kleine und mittlere Unternehmen erkennen meiner Meinung nach jedoch eher den Trend, auf lokale Kooperationen zu setzen. Ich glaube das kommt auch daher, dass viele jetzt während der Pandemie gemerkt haben, dass sie mehr oder weniger alle zusammen in einem Boot sitzen und gemeinsame Interessen vertreten und sich gegenseitig unterstützen können. Und ich hoffe, dass dieser Effekt lange anhält.

Abschließend kann ich sagen, dass viele Unternehmer sehr flexibel reagiert haben und weiterhin sehr verantwortlich – beispielsweise in Bezug auf ihre Mitarbeiter – handeln. Es ist vielleicht ein Vorurteil, dass man vielen, die schon lange erfolgreich in einer Branche unterwegs sind, nicht zutraut, sich grundlegend umzustellen. Aber die Unternehmen haben gemerkt, dass sie etwas verändern müssen und haben dies auch vielfach erfolgreich getan. Das sind natürlich auch sehr schöne Erkenntnisse, dass es auch gute Entwicklungen gibt, die durch die Pandemie einfach beschleunigt wurden. Und man hat während Corona sehr stark gemerkt, dass ein Weg gefunden werden kann, wenn der Wille dazu vorhanden ist. Das stimmt auch hoffnungsvoll für zukünftige Herausforderungen, allen voran die nachhaltige Transformation der Wirtschaft.


Kommentar von Anke Schiffer-Chollet

Anke Schiffer-Chollet, Coach bei Restart

„Herr Baur macht verschiedene Zukunftstrends aus, z.B. flexiblere Arbeitszeitmodelle – die nicht nur als Folge des weiter bestehenden Fachkräftemangels ausgebaut werden – und Regionalität in Bezug auf Konsumgüter und Kooperationen.

Neben potentieller Liquiditätsschwierigkeiten im Nachgang zu den Pandemie-Monaten sieht er mehrere „Sprünge nach vorn“ aufgrund der hohen Veränderungsbereitschaft der meisten Unternehmerinnen und Unternehmer.“

 


Über Restart

Sie sind selbständig oder haben ein kleines Unternehmen und stecken gerade auch mitten in Veränderungen oder Schwierigkeiten? Gerne sortieren wir mit Ihnen gemeinsam Ihre Fragen, Ideen und Themen und erarbeiten Wege, damit Sie (wieder) zukunftsfähig durchstarten können. Möchten Sie mitmachen? Sie erreichen das Team unter www.restart.vision, per Mail an restart@mki-ev.de oder telefonisch unter 06131 217 11 92.

Die Teilnahme an „Restart – zukunftsfähig durchstarten“ ist für Selbständige, Freiberufler/-innen und Kleinstunternehmen in Rheinland-Pfalz kostenfrei. Dies wird ermöglicht durch die Förderung im Rahmen der Arbeitsmarkt­initiative #rechargeRLP. Sie wird durch das Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung Rheinland-Pfalz aus Mitteln des EU-Hilfsprogramms REACT-EU über den Europäischen Sozialfonds (ESF) umgesetzt.