Hier kommt das andere Ende der Leine zu Wort: der Don. Der Dicke neigt seit einigen Tagen zur Rührseligkeit und erzählt viel über die Zeit, als ich gerade bei ihm eingezogen war. Mit einem hat er dabei jedoch recht. Es war schwer, ihn zum Herrchen zu erziehen.


Als ich zum Dicken gezogen bin, war das Wetter so wie jetzt: Trüb und grau, zwischendrin hat es sogar geschneit. Doch das war es nicht, was mich damals belastete. Ich hatte innerhalb weniger Wochen mehrere Einzüge mitgemacht – und auch mehrere Auszüge. Und ich wusste nicht, ob ich bei dem Dicken bleiben würde.

Deswegen war ich auf Spaziergängen extrem misstrauisch, hielt die Rute vorsichtshalber am Körper gepresst. Ich wusste nicht, was passieren würde. Auch nicht, ob ich wieder zurückkommen würde. Deswegen habe ich den Baum im Garten massiv mit meinem Urin versorgt, um den Weg zurückfinden zu können. Immerhin hatte ich dort einen Napf, den ich mochte und gerne behalten wollte. Außerhalb des Gartens habe ich nicht gepinkelt.

Der Dicke war nur bedingt eine Hilfe. Die ersten Wochen hat er gefühlt nur in Imperativen mit mir geredet: „Aus!“, „Nein, Don!“, „Weg da!“ oder „Hierher, hiiiierheer!“ war alles, was ich zu hören bekam.

Schule für Herrchen

Dabei besuchten wir sogar eine Hundeschule. Was ein irreführendes Wort ist. Denn eigentlich ist es mehr eine Schule für angehende Frauchen und Herrchen. Sie bekommen beigebracht, wie sie uns zu führen haben. Wir widersprechen nicht. Sollen sie ruhig glauben, dass sie führen.

Zumal auch ich in der Schule gelernt habe. Auf dem Weg dorthin hatte ich nicht auf „Bleib!“ gehört. Während wir es in der Schule übten, auch nicht. Doch als alle anderen es in einer großen Runde vorgeführt haben, habe ich mir das angeschaut, nachgemacht und so die Prüfung bestanden. Der Dicke ist fast ausgeflippt, als ich den Befehl auf dem Heimweg dann wieder ignoriert habe. Das war zu lustig.

„Aus!“ hab‘ ich verstanden

Am Anfang ist es ein sprachliches Problem, das es zwischen Hund und Mensch gibt. „Sitz!“ hat er mich sehr lange angeplärrt, bis ich wusste, was er überhaupt von mir wollte. Bis heute verstehe ich nicht, was ihm das bringt – mache es aber, wenn ich etwas will. Etwa wenn der Dicke in der Küche rumfummelt, sitze ich immer stramm vor ihm. Weil es ihm gefällt. Oder weil es ihn nervt. Auf jeden Fall aber, weil es am Ende zu einem Leckerli aus der wichtigsten Schublade des Hauses führt.

Andere Befehle habe ich tatsächlich eingesehen. „Aus!“ zum Beispiel. Der Dicke sagt es, bevor wir eine Straße überqueren oder wenn andere Hunde im Anmarsch sind. Beides hat schon zu Problemen geführt. Einmal habe ich versucht, den Weg heim selbst zu finden, was mir erstmal bewusst gemacht hat, wie gefährlich Straßen sind. Und ein anderes mal bin ich gebissen worden. Erst am Ohr und dann hat der Drecksack versucht, an mein Auge zu gehen. Zum Glück war der Dicke schnell genug dazwischen.

Aber „Aus!“ nehme ich seitdem ernst. Die Straße zu überqueren, gehört zu den raren Momenten, in denen der Dicke wirklich besser ist als ich.

Ich bin ein guter Lehrer

Emotionale Intelligenz gehört indes nicht dazu. Im Gegenteil. Während der Dicke mich anfangs nur anmachte, was nicht gerade zur Vertrauensbildung beitrug, habe ich es umsichtiger gemacht. Stufenweise. Erstmal musste der Dicke wissen, wie Hunger bei mir aussieht.

Um Hunger zu signalisieren, lasse ich den Mund geöffnet oder geschlossen. Die Zunge hängt raus oder bleibt drinnen. Und die Ohren stehen an oder sind schlaff. Kleiner Scherz. Ich habe immer Hunger. Zum Glück weiß der Dicke das mittlerweile auch.

Wichtig war aber tatsächlich, ihm beizubringen, wann ich raus will, dringend raus muss und wann ich doch lieber drin bleibe. Da ich aber gut darin bin, mich vor der Tür im Kreis zu bewegen oder draußen in Sitzstreik zu treten, konnte selbst der Dicke das zügig lernen.

Erstes Lob nach drei Wochen

Der Dicke selbst war mit seiner Ditaktik weniger erfolgreich. Kleines Wortspiel. Es muss natürlich Didaktik heißen. Sorry, ich bin ein wenig albern aufgelegt. Was daran liegt, dass ich in der Erinnerung daran schwelge, wie der Dicke mich immer vergebens angeplärrt hat.

Der Durchbruch kam, als der Dicke kapiert hat, nett sein zu müssen. Das dauerte stramme drei Wochen. Ich hatte mich mit der Leine um einen Pfosten gewickelt, aber den Rückweg alleine gefunden. Was dann kam, verblüffte bis überraschte mich: „Gut gemacht, ja fein“, sagte der Dicke.

Heute schäme ich mich ein wenig meiner Reaktion. Aber ich habe mich tatsächlich ein wenig, wenn nicht sogar ein wenig viel darüber gefreut, dass der Dicke nett zu mir war. Nach drei Wochen willst du halt auch mal was Positives hören.

Es ist immer noch so, dass uns das verbindet. Mir ist klar, dass dem Dicken das Zurückwinkeln der Leine wichtig ist. Deswegen nehme ich das ernst. Und gemeinsam freuen wir uns, wenn es geklappt hat. Obwohl es mittlerweile eigentlich Routine sein müsste. Doch um nett zueinander zu sein, braucht es eigentlich keinen Grund. Zumindest keinen guten.