Mit „Soko München“ verabschiedet sich am Jahresende eine Serie, die den Vorabend des ZDF wie keine andere geprägt hat. Ein Wechsel der Programm-Strategie ist dies indes nicht. Die Öffentlich-Rechtlichen setzen vor 20 Uhr auf Unterhaltung statt Niveau. Denn am Vorabend sind die Einnahmen aus der Werbung wichtiger als der Programmauftrag.

Bedarf an einem Partyspiel? Dafür würde sich „Soko ZDF“ anbieten: Im ersten Level zählen die Teilnehmer auf, welche Formate es gibt: „Soko Hamburg“, „Soko Illertissen“, „Soko Kitzbühl“, „Soko…“ – Moment, Illertissen war verkehrt, Punktabzug. Im zweiten Level erinnern sich die Teilnehmer an Schauspieler, die in diesen Formaten mitspielen – im dritten Level ordnen sie die dem jeweiligen Ort zu. Fortgeschrittene dürfen dann noch eine Handlung aufzählen, die so von Belang war, dass sie irgendjemandem im Gedächtnis geblieben wäre.
Das könnte schwer fallen. Denn Tiefgang ist vor 20 Uhr im ZDF nicht angesagt. Das Gleiche gilt für die ARD. Vor 20 Uhr sind die Einnahmen aus der Werbung wichtiger als der Programmauftrag. Denn danach dürfen die öffentlich-rechtlichen Sender nicht mehr werben. Und den Topf wollen sie RTL und Co nicht gänzlich überlassen. Obwohl ARD und ZDF jährlich mit rund acht Milliarden Euro aus den „Rundfunkbeitrag“ genannten Gebühren erhalten.

Auch Unterhaltung ist Programmauftrag

Nun gehört auch Unterhaltung zum Programmauftrag der Öffentlich-Rechtlichen. Die wiederum kann durchaus anspruchsvoll sein. Dafür steht „Soko München“ (Sendetermin montags 18 Uhr) beziehungsweise stand „Soko 5113″, wie das Format bis 2016 hieß. Während Derrick solange in Edelbordellen philosophierte, bis sich die Mörder freiwillig stellten, machte das Soko-Team um Werner Kreindl echte Polizeiarbeit: Observieren, recherchieren oder eine Razzia durchziehen. Ab und an gab es auch mal auf die Zwölf. Diether Krebs lief mehr als einmal mit blutiger Nase und geschwollenen Augen durchs Bild.
Von Polizisten gab es seinerzeit das Lob, dass „Soko 5113″ ihrem Tagwerk in der Beschreibung am nächsten käme. Die Umbenennung war indes mehr als eine Formalität. In der Zeit stieg die Zahl der Krimiformate rasant an. Denn Mord und Totschlag funktioniert immer. Doch das Niveau sank, die Serien wurden belanglos. Es galt den Massengeschmack zu bedienen. Die Scripted Fiction der Öffentlich-Rechtlichen ähnelt in der erzählerischen Tiefe mittlerweile der Scripted Reality der Privaten. Vor 20 Uhr zählen für ARD und ZDF die Werbeeinnahmen, nicht der Programmauftrag.
Wobei die Frage im Raum steht, ob das sein muss. Zudem stellt sich diese Frage aus zwei Perspektiven. Zum einen klagen die Privaten über rückläufige Werbeeinnahmen. Ein immer größerer Teil des Kuchens wird mittlerweile im Internet serviert. Müssen da durch Zwangsgelder finanzierte Sender an der karger werdenden Mahlzeit weiter mitessen?
Zum anderen stellt sich die Frage, ob es der Erfüllung des Programmauftrags dient, wenn ARD und ZDF derart fixiert auf die Quote sind wie vor 20 Uhr. Zwar lautet die Argumentation: Die Öffentlich-Rechtlichen müssten die Zuschauer mit Unterhaltung abholen, um sie für Information zu erreichen. Doch diese Erklärung kommt angesichts des Vorabend-Angebots arg gespreizt daher.

Pseudo-Bildung im Quiz

Neben der Fülle an Krimis und Herzschmerzserien gibt es vor 20 Uhr nur wenige Bildungsangebote von ARD und ZDF. Die täuschen Bildung eher vor, als sie wirklich zu liefern: Wie sehr in „Börse vor acht“ Floskeln in die Welt gehauen, statt Hintergründe erklärt werden, haben Switch und Martina Hill bis zur Perfektion parodiert.
Aber ein Quiz, ein Quiz ist doch der beste Ausdruck von Bildung? Nun ja, vielleicht. In entsprechenden Konstellationen. Allerdings nicht in „Gefragt – gejagt“ mit Alexander Bommes, den die ARD von montags bis freitags sechs mal auf die Zuschauer los lässt. Einfache Fragen werden im „Multiple Choice“-Verfahren beantwortet. Das suggeriert Wissen, taugt aber bestenfalls als Kopftraining bei auftauchenden Alzheimer-Symptomen.
Als wirkliches Bildungsangebot geht am öffentlich-rechtlichen Vorabend das Wirtschaftsformat des ZDF, „Wiso“, durch. Wobei das mittlerweile eher ein Verbrauchermagazin ist, als dass es Hintergründe über das Wirtschaftsleben erklärt.
Letzteres hat keinen Platz am Vorabend. Denn da sind ARD und ZDF Werbeeinnahmen wichtiger als der Programmauftrag. Das sollte sich bald ändern. Denn wenn die Öffentlichen-Rechtlichen wie gefordert 3 Milliarden Euro mehr an Gebühren wollen, dann sollten sie den Auftrag, dem sie dieses Geld verdanken, in den Mittelpunkt rücken – und nicht die zusätzlichen Einnahmen aus der Werbung.