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Was war vor 50 Jahren für die Menschen im Südwesten wichtig, was hat sie beschäftigt, worüber haben sie sich aufgeregt oder gefreut? Was war los in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, in der Kultur und im Sport? Welchen interessanten Menschen sind die Reporterinnen und Reporter damals begegnet?

Oktober 1969: In Überlingen will der neu gewählte Bürgermeister den teuren Dienstwagen nicht fahren, in Rottweil wollen die Bürger kein Kopfsteinpflaster am Marktbrunnen und aus profanen Tankstellen werden Benzin-Boutiquen.

Rottweil soll schöner werden

Die Bürger der Stadt Rottweil sind im Oktober 1969 in Aufruhr. Der Gemeinderat hat beschlossen, dass zwischen Marktbrunnen und Kapellenkirche der Bodenbelag mit Granitsteinen gepflastert wird. Das alte Stadtbild soll wieder mehr berücksichtigt werden. Die Pflastersteine liegen schon da, aber viele Rottweiler halten das für Blödsinn und wehren sich. Eine Bürgerin beklagt, dass der Platz mit hohen Absätzen nicht mehr begehbar sei und ein Bürger sorgt sich darum, wer haftet, wenn jemand im Winter ausrutscht.

Aus Tankstellen werden „Benzin-Boutiquen“

Das Auto wird im Südwesten als Transportmittel immer beliebter und braucht entsprechend immer mehr Pflege. Dafür sorgen neue Tankstellen, auch Benzin-Boutiquen genannt. Dort wird nicht nur ein umfassender Service für das Auto angeboten. Neben der vollautomatisierten Autowäsche stellt der Tankwart auch schon mal dem Fahrer einen Kasten Bier in den Kofferraum.

Neu gewählter Bürgermeister lehnt Dienstwagen ab

Ein nigelnagelneuer Mercedes 250 mit Schiebedach und Nebelleuchten steht im Oktober 1969 als Dienstwagen für den Bürgermeister der Stadt Überlingen bereit. Eigentlich galt die Wiederwahl des bisherigen langjährigen Amtsinhabers Anton Wilhelm Schelle als ausgemacht und so wurde der Dienstwagen bereits vor der Wahl bestellt. Das Wahlvolk ist eigensinnig und befördert den Außenseiter Reinhard Ebersbach, einen jungen Rechtsanwalt und SPD-Mitglied, ins Rathaus. Dumm nur, dass der den Dienstwagen nicht will und lieber weiterhin seinen VW-Käfer fährt.

Alte Pfeifen für eine neue Orgel in Eggenstein

Um eine neue Orgel für seine Kirche zu finanzieren, veranstaltet Pfarrer Albert Schneider in Eggenstein einen Orgelmarkt. Er verkauft 957 Orgelpfeifen der alten Orgel aus dem Jahr 1905 zum Preis von 2 bis 50 Mark. Ein Teil der Pfeifen ist aus Tiroler Fichtenholz, der größte Teil aus englischem Zinn. 12 000 Mark sind bis zum Abend in der Kasse für eine neue Orgel.

Saarbrücken: Delikatessen aus aller Welt

In Saarbrücken hat ein Supermarkt eine Delikatessenabteilung eröffnet. Besonders beliebt ist die Theke mit den 70 verschiedenen Käsesorten aus allen europäischen Ländern. Beim Obst liegt der Schwerpunkt auf exotischen Früchten wie Kaktusfeigen aus Italien, Avocados aus Israel und spanischen Honigmelonen. Für Hausfrauen, die etwas unsicher bei der Zubereitung fremdländischer Speisen sind, findet sich ein umfangreiches Angebot an Kochbüchern und Rezeptheften. Neben Schaum- und Portweinen werden den saarländischen Feinschmeckern auch mehr als 70 Whiskysorten angeboten.

Kunstaktion auf dem kleinen Schlossplatz in Stuttgart

Der Bildhauer Otto Herbert Hayek erreicht im Oktober 1969 mit einer Kunstaktion, was die Architekten nicht schafften: Der kleine Schlossplatz wird zum Ort der Begegnung vieler Stuttgarter. Der in knalligen Farben gestaltete Platz und das Pop-Art Kunsthappening ziehen vor allem viele jungen Menschen an.

Heilmittel aus dem Kraichgau in alle Welt

Die Wirkstoffe mancher Medikamente lassen sich nicht synthetisch erzeugen. Landwirte in Zaisenhausen haben sich auf den Anbau der Digitalis spezialisiert, mit deutschen Namen Fingerhut. Im Kraichgau wird im Oktober 1969 die Digitalis geerntet, aus der verschiedene Wirkstoffe für die Pharmaindustrie gewonnen werden. Das Digoxin zum Beispiel ist eine chemische Verbindung mit Wirkung auf den Herzmuskel und wird deshalb für die Herstellung von Herzpräparaten verwendet und in alle Welt exportiert.

Heinz Oestergaard stellt seine neue Mode in Koblenz vor

Der bekannte Modeschöpfer Heinz Oestergaard präsentiert in Koblenz seine Arbeit. Mit wenigen Pinselstrichen auf der Tafel und Models auf dem Laufsteg zeigt Oestergaard, was Frauen in der Herbstsaison 1969 tragen. Es ist eine Mode, die in erster Linie der Vernunft folgt: Sie ist nicht extravagant und nur selten verspielt. Bei den Haus- und Straßenkleidern dominieren großkarierte Stoffe mit eher blassen Farben. Sowohl das Design der Kleider als auch der Preis folgen der Maxime des Modemachers Oestergaard, dass Mode für alle da sein soll.

Die Geschichtsreihe

SWR Moderatorin Alev Seker nimmt die Zuschauerinnen und Zuschauer einmal im Monat mit auf eine Zeitreise in die Vergangenheit. Manche Veränderungen nahmen vor 50 Jahren ihren Anfang und wirken bis heute nach. Einige Industriezweige, die 1969 wirtschaftlich bedeutend waren, sind weitgehend verschwunden. Frauen haben heute ein völlig anderes Standing als damals. Mit Neugier und Augenzwinkern blickt die SWR Reihe auch auf manche Kuriosität zurück.

Sendung

„Die SWR Zeitreise – September 1969 Nachrichten von damals“ zeigt das SWR Fernsehen am 20. Oktober 2019 um 15:55 Uhr