Nachrichten überregional | „17.06.2020 ca. 19:15 Uhr. Flughafen Berlin Tegel. Weder im Wartebereich, noch beim Boarding, geschweige denn im Flieger nach Stuttgart trug Herr Kretschmann (trotz Mundschutzpflicht!!!) einen Mundschutz. Komme mir leicht verarscht vor.“


Reaktionen

Dieser Kommentar titelte über einem Bild von Ministerpräsident Kretschmann, auf dem er ohne Maske zu sehen ist – während er isst. Zwei Tage nachdem das Bild entstanden ist, wurde es in den sozialen Medien veröffentlicht. In einer Gruppe, die sich „Corona Verschwörungstheorien“ nennt. Binnen 24 Stunden wurde der Post über 3.000 Mal geteilt.

Darunter wurde kommentiert „Tja, das sind die Grünen Eliten bzw. Vorbilder. Wasser predigen, Wein saufen. Oder folgt meinen Worten aber nicht meinen Taten“ und „Werden wohl schon geimpft sein oder“.

Unter anderem berichteten die Bild-Zeitung und der SWR. Letzterer ein in rechten und verschwörungstheorie-affinen Kreisen sogenanntes „gleichgeschaltetes Staatsmedium“. Für ein „Staatsmedium“ dürfte die Berichterstattung hierüber wohl gar nicht erfolgen, was Kommentatoren in den sozialen Medien jedoch wenig irritiert. Ebenfalls veröffentlichte der SWR ein Videointerview mit der Post-Erstellerin. Hierin berichtet sie, dass Herr MP Kretschmann zu keiner Zeit eine Maske getragen hätte. Es wurde am vergangenen Samstag in der Sendung SWR Aktuell Baden-Württemberg im Fernsehen ausgestrahlt. Alleine der Post des SWR bei Facebook wurde bis heute über 1.200 Mal geteilt und über 1.100 Mal kommentiert. Der Tenor ist gehässig, viele halten die Maskenpflicht für überflüssig, glauben der Berichterstattung über das Corona-Virus nicht, halten das Virus für nicht gefährlich.

Die Corona-Realität

Die Kontrolle der Pandemie ist nicht in Sicht. In vielen Ländern außerhalb Europas steigen die Zahlen an Infizierten – teilweise exponentiell. Die WHO vermeldete erst vor wenigen Tagen die höchsten Neuinfektionszahlen seit Ausbruch des Virus. Das ist das Gegenteil von Kontrolle der Pandemie. In Deutschland steigen die Zahlen der aktuell Infizierten wieder an, nachdem sie über Wochen gesunken sind. Wir sind wieder auf einem Stand von vor über zwei Wochen. 18 Tage bis heute, die im Kampf gegen das Virus verschenkt sind. Das liegt nicht nur an den erschreckenden Vorkommnissen in fleischverarbeitenden Betrieben. In vielen Bundesländern schwanken die Zahlen, in Berlin steigen sie nonstop seit dem 05.06. In Rheinland-Pfalz sinken sie seit zwei Wochen. Der Landkreis Mainz-Bingen meldet gestern noch einen Infizierten, die Stadt Mainz noch neun. Viele hoffen und warten auf die Null.



Die Antworten des Ministerpräsidenten und der Fluggesellschaft

Auf Anfrage von BoostyourCity übermittelte uns ein Sprecher der Landesregierung Baden-Würtembergs die Aussage von Herrn MP Kretschmann: „Eindeutig esse ich, und das ist mit Maske ja bekanntlich schlecht möglich. Im Flugzeug hatte ich eine FFP2-Maske auf.“ Der Landesregierung sei es selbstverständlich wichtig, dass alle die Regeln zur Corona-Eindämmung einhalten. „Wir bedauern, dass es zu dieser Unaufmerksamkeit gekommen ist.“

Bestätigt wird dies von der Fluggesellschaft Eurowings. Diese hat den Fall mit den zuständigen Kollegen nachvollzogen und hierzu mit der Crew gesprochen, die an diesem Tag auf dem Flug im Einsatz war. Boostyourcity wurde die Darstellung des Pursers übermittelt, der die Passagiere auf dem Flug betreut hat: „Entgegen der beschriebenen Schilderung trug Herr Kretschmann einen Mundnasenschutz (wie auch seine Begleitung) beim Boarding und hat diese auch danach nicht abgenommen. Auch im weiteren Verlauf des Fluges hat er die Maske weiterhin getragen. Insofern können wir die Aussage nicht bestätigen.“ Purser ist die Bezeichnung für den ranghöchsten Flugbegleiter einer Kabinenbesatzung, der oder die leitende Flugbegleiter*in. Die Fluggesellschaft teilt mit, dass grundsätzlich alle Gäste an Board Gleichbehandlung erfahren. Das schließt die Pflicht zur Einhaltung der Sicherheitsmaßnahmen ein.

Die Zeugin

Die Zeugin hat inzwischen nicht nur den Post gelöscht, sondern auch ihr Profil bei Facebook. Ihre Aussage und das Bild wurden jedoch tausendfach geteilt. Screenshots davon werden weiterhin verbreitet. Das Internet vergisst nicht. Ob es wahr oder falsch ist, interessiert nicht.

Meinung der Redakteurin

Das ist nicht hilfreich im Kampf gegen die Pandemie. Zweifel an den Maßnahmen schüren und dagegen aufstacheln, ist zur Zeit ein weit verbreitetes Phänomen – es erschwert die Eindämmung der Pandemie und sorgt dafür, dass Maßnahmen verlängert oder wieder verschärft werden. Jeder Tag, an dem die Zahlen der aktuell Infizierten nicht weiter sinken, schadet. Schadet Menschen und der Wirtschaft. Wer nicht über die Grenzen schaut und meint 9,5 Millionen Infizierter und knapp eine halbe Million Toter bei weiter rapide steigenden Zahlen, unbekannter Dunkelziffer, allmählich bekannt werdender Spätschäden auch asymptomatischer Fälle, unklarer Immunität nach Infektion und Sars-CoV2 mit einer Grippe vergleicht, der irrt. Irrt gewaltig. Wenn wir unser altes Leben zurück haben wollen – zumindest in großen Teilen – sollten wir uns alle anstrengen, um eine Weiterverbreitung des Virus zu reduzieren. Alle!