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In Zukunft sollen in Deutschland mehr Patienten ambulant operiert werden: Morgens zur Operation in die Arztpraxis oder ins Krankenhaus, abends wieder zu Hause im eigenen Bett, weitere Versorgung per Telefon und durch ambulante Arztbesuche. Stichwort: „Ambulantisierung“. Das spart Kosten, entlastet die Krankenhäuser und schont das Personal im Gesundheitswesen. So will es auch Bundesgesundheitsminister Lauterbach, der zu diesem Thema eine Regierungskommission eingesetzt hat.

KBV und GKV geben Richtung vor, ohne an Anästhesisten zu denken

Einflussreiche Institutionen wie die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) wollen in der Diskussion die Richtung vorgeben. Sie sprechen sich für die Förderung des ambulanten Operierens aus, haben in dem Konzept offenbar aber entscheidende Partner vergessen oder gar überhört: Nämlich die Anästhesisten, die viele Operationen erst möglich machen, die Sicherheit der gemeinsamen Patienten garantieren, ihnen Schmerzen nehmen und bei Bedarf in einen tiefen Schlaf versetzen. Denn die zusätzliche, finanzielle Förderung kommt nur den Operateuren zugute, nicht aber den Narkoseärzten. Sie werden nicht als eigenständiges Fachgebiet gesehen, sondern nur als „Strukturvoraussetzung“ und „Querschnittsfach“, aus denen zugearbeitet wird. So steht es in den Reformkonzepten der Bundesregierung zur Förderung der ambulanten Leistungserbringung und Umstrukturierung der stationären Vergütung. Das ist für die bundesdeutschen Anästhesisten inakzeptabel.


„An Ignoranz nicht zu überbieten“

Der Vizepräsident des „Berufsverbandes Deutscher Anästhesistinnen und Anästhesisten“ (BDA), Dr. Frank Vescia, kritisiert: „Wenn KBV und GKV-Spitzenverband jetzt 60 Millionen Euro für die Förderung der ambulanten Erbringung bestimmter Eingriffe ausgeben, ohne die Anästhesie auch nur zu erwähnen, geschweige denn, zu beteiligen, ist das an Ignoranz gegenüber unseren Kolleginnen und Kollegen nicht zu überbieten! Keine Operation läuft ohne Anästhesie! Das sollte allen bewusst sein!“

Anteil ambulanter Operationen nimmt zu

In Deutschland werden pro Jahr schätzungsweise 20 Millionen Operationen mit jeweils passender Narkose durchgeführt. Der Anteil der Patienten, die sich ambulant operieren lassen, nimmt immer weiter zu. Ob ein Eingriff ambulant oder stationär durchgeführt wird, hängt dabei auch wesentlich von der Einschätzung der Anästhesistin oder des Anästhesisten ab: Während jüngere, gesunde Patienten in der Regel problemlos ambulant operiert werden können, ist es bei älteren oder krankeren Menschen manchmal besser, eine Operation im Krankenhaus vorzusehen. Außerdem übernehmen die Anästhesisten oft bei Operationen die Planung, Umsetzung und Nachbetreuung der Patienten.

„Enormer Unmut unter Anästhesistinnen und Anästhesisten“

Seit Jahresbeginn werden niedergelassenen Ärzten laut EBM Zuschläge gezahlt, wenn bestimmte Eingriffe ambulant durchgeführt werden. Allerdings können diese Zuschläge nur von den Operateuren abgerechnet werden. Die Anästhesisten werden nicht beteiligt und gehen leer aus. Der Vertreter der ambulant tätigen Anästhesistinnen und Anästhesisten im BDA, Jörg Karst, ärgert das sehr: „Selbstverständlich hatten wir gegenüber der KBV klar und eindeutig die Förderung der Anästhesie gefordert. Dass wir jetzt übergangen werden, führt selbstverständlich zu enormem Unmut unter unseren Mitgliedern!“ Sollte es so bleiben, dass die Anästhesie in den Reformschritten nicht berücksichtigt werde, müsse man sich seitens der Narkoseärzte Konsequenzen überlegen.

Der Leiter des Referates Gesundheitspolitik des BDA, Dr. Markus Stolaczyk, fügt hinzu: „Man fühlt sich inzwischen an Zeiten im 20. Jahrhundert erinnert, als mit Ignoranz nachweislich die Entwicklung unseres Faches behindert wurde.“ Wenn diese Reformkonzepte an den Anästhesisten vorbeiliefen, seien die Pläne zum Scheitern verurteilt!