Friday for Hubraum
Friday for Hubraum

Die Facebook-Gruppe „Fridays for Hubraum“ hat in wenigen Tagen fast 400 000 Mitglieder versammelt, lag zwischenzeitlich auf Eis und ist nun wieder freigegeben. Damit haben die Macher in kurzer Zeit erfahren, welche Probleme es verursacht, in Deutschland eine dem medialen Mainstream widerlaufende Meinung zu vertreten – aber auch bewiesen, dass es eine Öffentlichkeit jenseits der veröffentlichten gibt.

Die Mainzer Publizistik-Wissenschaftlerin Elisabeth Noelle-Neumann hat der politischen Welt eine wichtige Theorie hinterlassen: die der Schweigespirale. Vereinfacht ausgedrückt besagt diese: Die herrschende Meinung wird so intensiv und offensiv vertreten, dass sich die Minderheit schämt – und sich immer seltener traut, ihre Meinung zu vertreten.

2015, wenige Tage nach der Kölner Silvesternacht, sprach Robert Habeck vor den Mainzer Grünen. Parteivorsitzende im Bund waren Cem Özdemir und Simone Peter. Und die Partei nicht sicher, unbeschadet durch die Wahlen 2016 (Land) und 2017 (Bund) zu gehen. Der kommende Mann erklärte staunenden Zuhörern, dass die Grünen das Zeug dazu hätten, Diskurse zu beherrschen, auch wenn sie Positionen verträten, die keine Mehrheiten haben.

Und tatsächlich. Vier Jahre später stellt die Partei die sechstgrößte Fraktion im Bundestag – ist aber dafür in den Medien präsenter als die anderen fünf. Das mag auch daran liegen, dass unter Journalisten der Anteil grüner Anhänger deutlich höher ist als im Schnitt der Bevölkerung. Oder an der Prominenz, die grüne Themen durch die „Fridays for Future“-Bewegung erhalten haben.

Seit einem Jahr wird massiv über deren Begründerin Greta Thunberg berichtet. Die Zahl der obskuren Aufhänger a la Greta ist es auf dem Boot nicht schlecht geworden ist groß. Die der kritischen Nachfragen, die ihr gestellt wurden, klein. Als sie auf einem FFF-Kongress drohten, ließ Greta Journalisten des Saals verweisen. Gerade in der vergangenen Woche lieft Thunberg in der medialen Dauerschleife.

„Der Hass auf Greta Thunberg“

Eine der Geschichten: Der Focus ließ einen „Medienpsychologen“ erklären, woher „der Hass auf Greta Thunberg“ kommt. Dass es eine massive Gegenreaktion auslöst, wenn eine nicht demokratisch autorisierte Person medial massiv mit Forderungen präsentiert wird, die in den Alltag der Menschen wirken würden, ist nicht Teil der Analyse. Nur dass die Reaktionen mitunter ungemessen sind – was im Übrigen stimmt.

„Weiße alte Männer“ arbeiteten sich an Greta ab, heißt eines der beliebtesten Argumente ihrer Anhänger. Das ist zwar sexistisch und rassistisch. Aber egal: Die Bundesregierung finanziert sogar eigens eine Stiftung, um die Theorie zu verbreiten, weiße alte Männer könnten per se nicht rassistisch oder sexistisch beleidigt werden.

Klingt wie ein logischer Widerspruch. Ist ein Widerspruch. Genau so wie die tägliche Berichterstattung über Greta und die Kritik an den Lesern, sich pathologisch stark mit Greta auseinanderzusetzen. Doch hier geht es nicht um Logik. Hier geht es um Macht.

Es ist der Mechanismus, den Habeck meinte, als er in Mainz erklärte, auch Minderheiten könnten Diskurse bestimmen: Mehrheits-Meinungen werden tabuisiert. Das zwingt deren Vertreter zu schweigen. Das erleichtert die Errichtung einer Schweigespirale. In der die öffentliche Mehrheit als Mehrheit wahrgenommen wird, auch wenn sie bei Wahlen keine solchen erreichen können.

Tabuisierung ist das Kampfmittel grünlinker Parteien

Die Tabuisierung ist das Kampfmittel grünlinker Parteien. Und grünlinker Journalisten. Der Klimawandel ist real. Was stimmt. Aber jede Kritik an den Projekten, die gegen den Klimawandel unternommen werden, wird als Leugnen des Klimawandels dargestellt. Es gibt nur seltene Ausnahmen: Etwa wenn Habeck sagt, die Erhöhung der Pendlerpauschale motiviere zum Autofahren, ohne zu wissen, dass die auch für öffentliche Verkehrsmittel gezahlt wird – um dann von einem Journalisten darauf hingewiesen zu werden.

Grüne Politiker versuchen das nun zurückzuholen. Es sei doch sympathisch, dass es einen Politiker gebe, der Unwissen zugibt. Erstens hat er es nicht eingeräumt, sondern ist dabei ertappt worden. Zweitens beruhten auf diesem Unwissen fertige politische Forderungen. Es ist wichtig, die Geschichte zurückzuholen oder sie zu relativieren. Denn Habeck hat demonstriert, dass eine Forderung im Namen des Klimaschutzes gestellt werden kann und trotzdem einfach blanker Unsinn ist.

Und die Schweigespirale beruht darauf, dass die herrschende Meinung nicht hinterfragt werden kann:

  • Höhere Steuern und Abgaben für den Klimaschutz? Wer die ablehnt, leugnet den Klimawandel.
  • Eine Schattenregierung, die ein von der Verfassung nicht legitimiertes Vetorecht erhält? Wer die ablehnt, leugnet den Klimawandel.
  • Greta stellt Forderungen auf? Wer die ablehnt, arbeitet sich an einem Kind ab.

Die durchbrochene Schweigespirale

Diese Schweigespirale hat die Gruppe „Fridays for Hubraum“ nun durchbrochen. Mit Wucht. Fast 400 000 Mitglieder kamen in kurzer Zeit zusammen. Was zeigte: Hinter den Zeitungen und vor den Fernsehern und Radiogeräten sitzen sehr viele Köpfe, die mit der medialen Greta-Penetration der vergangenen Wochen und den damit transportierten Botschaften nicht einverstanden sind.

„Fridays for Hubraum“ haben Menschen angeschoben, die in ihrem Job oder ihrer Freizeit mit Autos schrauben. Sie erklären, dass sie sich das nicht nehmen lassen wollen. Nicht von Greta. Und nicht von Politikern und Journalisten, die Fridays for Future hypen.

Die Hauptbeiträge beschäftigten sich mit Autos. Bilder von starkmotorigen Wagen waren zu sehen. Viele Nutzer fragten, ob es in der Gruppe auch andere Nutzer aus ihrer Region gebe.

Aber: Es gab auch viele Beiträge, die nicht tolerabel waren. Vor allem in den Threads. Also in den Diskussionen unterhalb eines Beitrags: Beleidigungen, Gewaltaufrufe oder sexistische Darstellungen waren darunter. Die Administratoren taten das ihnen mögliche, solche Beiträge zu löschen.

Administratoren zogen Notbremse

Doch sie kamen nicht mehr nach. Es waren einfach zu viele. Jetzt haben die Administratoren die Gruppe archiviert. Das heißt: Sie haben sie auf Eis gelegt. Die Gruppe bleibt bestehen, es können aber keine Beiträge veröffentlicht und keine neuen Mitglieder aufgenommen werden.

In einem Video erklärt ein Administrator, dass die Verantwortlichen von den Reaktionen selbst überrascht waren: Von den inakzeptablen Beiträgen. Von den Versuchen der Vereinnahmung. Aber auch von dem massiven Zuspruch und dem großen Interesse. Die Administratoren arbeiteten an Lösungen, wie die Gruppe weiter betrieben werden könne, ohne dass es unerwünschte Beiträge und Vereinnahmungen gebe.

So der Stand bis Donnerstag. Zum Wechsel auf den Freitag ist „Fridays for Hubraum“ wieder an den Start gegangen. Die Möglichkeiten zum Kommentieren sind stark eingeschränkt. So wollen die Administratoren vermeiden, dass sich Auswüchse wiederholen.

Die Administratoren haben sich vorbildlich verhalten. Solche Konsequenz wäre in anderen Fällen wünschenswert. Etwa wenn islamistisch motivierter Antisemitismus im Netz verbreitet wird. Dennoch fiel die Presse für die Gruppe schlecht aus. Manche Medien feierten die Archivierung regelrecht.

Stern: „Verdummung unserer Gesellschaft“

Der Stern etwa schreibt angesichts des Hashtags „#Friday for Hubraum“ von der „Verdummung unserer Gesellschaft“.  Die Zeitschrift hat übrigens jüngst einen Neuzugang unter den Kolumnisten vorgestellt: die deutsche FFF-Organisatorin Luisa Neubauer.

Zu der Macht der Medien gehört die „Türwächter-Funktion“. Sie bestimmen, was in der öffentlichen Meinung stattfinden darf. Sie sind die Hüter der Schweigespirale. Oder vielmehr sie waren es. Im Schnitt verlieren etwa Printmedien jährlich fünf Prozent an Auflage. Das gefährdet nicht nur die wirtschaftliche Existenz. Es stellt auch die Türwächter-Funktion in Frage.

Auch jenseits von Stern, Spiegel und Co können sich rasch 400 000 Menschen zusammen finden und eine Meinung vertreten, die diametral zu dem steht, was sie selber an öffentlicher Meinung verbreiten. Das gefährdet die eigene Stellung. Zu finanziellen Einbußen kommt nun – für viele noch schlimmer – der Bedeutungsverlust.

Die Administratoren werden noch oft betonen müssen, nicht „zur rechten Ecke“ zu gehören. Denn in die werden sie viele stellen wollen. Das ist und bleibt die beliebteste unter den Methoden, die Schweigespiralen stabil zu halten.