Brisante Themen standen auf dem Programm der Herbsttagung der Gesellschaft für Geschichte des Weines (GGW) in Nierstein. Nicht nur Mitglieder, sondern auch zahlreiche Gäste zeigten Interesse an einer wenig ruhmreichen Phase in den dreißiger Jahren der deutschen Weinszene. Ebenso suchten sie nach Informationen darüber, welche historischen Erfahrungen für das heute hochaktuelle Thema Wein und Klima nutzbar sind. In diesem Kontext wurde die Flutkatastrophe von 2021 an der Ahr eingebunden. Im dritten Teil der Tagung wurde unter anderem die Frage aufgeworfen, wie das Thema Weinkultur und Weingeschichte in all seinen spannenden Details einem breiteren Publikum zugänglich gemacht werden kann.

Das erste Thema, betitelt „Wein und NS-Zeit“, war der Vorstandschaft der GGW besonders wichtig

Kompetente Referenten wie Dr. Pia Nordblom (Johannes-Gutenberg-Universität Mainz), Dr. Sina Fabian (Humboldt-Uni, Berlin), die namhafte Weinhistorikerin Dr. Christina Krämer, der Journalist Dr. Daniel Deckers und der Autor und Winzer Dr. Andreas Wagner aus Rheinhessen erinnerten an die NS-Zeit. Einerseits wurde damals Alkohol als Gift für den Körper angesehen und Mäßigung propagiert, andererseits wurde 1935 die Deutsche Weinstraße ins Leben gerufen, um den Winzern bei Absatzproblemen zu helfen. Diese waren unter anderem durch schlechte Ernten und das Ausmerzen des damals einflussreichen jüdischen Handels entstanden. Es wurde auf die Ausgrenzung, Verfolgung und schließlich die Vernichtung jüdischer Weinhändler und Kommissionäre in ganz Deutschland hingewiesen.

Beim Thema „Wein und Klima“ wurde die Klimaentwicklung und ihre Auswirkungen auf den Weinbau analysiert. Daten von 1420 bis 2019 zeigten, dass es immer wieder starke Schwankungen mit „sauren Jahrgängen“ und „Spitzenjahrgängen“ gab und dass die guten bis sehr guten Jahrgänge seit etwa 1990 ein Hinweis auf eine rasch fortschreitende Klimaerwärmung sind. Referent Prof. Dr. Christian Pfister vom Zentrum der Klimaforschung der Uni Bern betonte: „Selbst bei einem sofortigen Umsteuern wird die Erwärmung noch einige Jahrzehnte andauern, was die nachfolgenden Generationen besorgt machen sollte.“ Ähnlich klangen die Feststellungen von Prof. Dr. Rüdiger Glaser von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Er wies auch darauf hin, dass die Sommer- und Hitzetage zunehmen, dafür aber winterliche Frost- und Eistage abnehmen. Neue kühlere Weinbauregionen dürften auf der Gewinnerseite stehen, während die klassischen eher auf der Verliererseite sein könnten.

„Wie können die Themen Weinkultur und Weingeschichte einem breiteren Publikum kommuniziert werden?“, war die schwierige Frage im letzten Teil der Tagung

Hierbei wurde betont, dass neben gedruckten Informationen auch die Bedeutung digitaler Angebote hervorsticht, die eine barrierefreie Vermittlung weinhistorischer Themen an eine breitere Öffentlichkeit ermöglichen. Informationen aus dem Leben selbst wurden geteilt, wie in Rheinhessen die Kultur- und Weinbotschafter eine Brücke zwischen Wissenschaft und Konsumenten bilden.

Dr. Monika Reule, Geschäftsführerin des Deutschen Weininstitutes, wies darauf hin, dass bei der Betonung von Weinkultur die zunehmende gesellschaftliche Diskussion über Alkoholkonsum berücksichtigt werde. Als Erfolg konnte sie verweisen, dass auf Antrag der Deutschen Weinakademie (DWA) die „Weinkultur in Deutschland“ 2021 in das Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen wurde. Zu den DWI-Aktivitäten im Detail gehören eine App namens „Deutsche Weine“, die Auszeichnung von Vinotheken und „Höhepunkten der Weinkultur“, und natürlich die Wahl der Deutschen Weinkönigin. Letztere passte zur abschließenden Podiumsdiskussion, bei der festgehalten wurde, dass es besonders wichtig sei, jüngere Menschen für das Thema Weinkultur und –geschichte zu interessieren.

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