In der kommenden Stadtratssitzung am 30. November wird der Mainzer Stadtrat entscheiden, wie die Weichen für den Klimaschutz für die kommenden Jahre gestellt werden. Es wird über die drei zentralen Fragen für den Klimaschutz in Mainz abgestimmt: den überarbeiteten ‚Masterplan 100% Klimaschutz‘, den Doppelhaushalt 23/24 und den Ideenwettbewerb für den geplanten Biotech-Hub. Für die Bürgerinitiative MainzZero steht fest: Bei allen drei Themen müssen der Klimaschutz bzw. Klimaanpassungsmaßnahmen im Mittelpunkt stehen, wenn wir weiterhin ein lebenswertes Mainz wollen. Die Schlüsselpunkte aus Sicht von MainzZero sind die folgenden:
Masterplan Klimaschutz: Guter Plan– aber ist er ein Papiertiger wie sein Vorgänger?
Der vom Stadtrat verabschiedete Maßnahmenkatalog des ‚Masterplan 100% Klimaschutz‘ aus dem Jahr 2017 enthält 202 Seiten und 72 Maßnahmen, die Neuauflage 2022 201 Seiten, über 50 Maßnahmen und ein grünes Cover. Ein weiterer Papiertiger? Viele Maßnahmen lesen sich ähnlich, viele Sofortmaßnahmen aus dem Dokument von 2017 wurden nicht oder wenig erfolgreich umgesetzt (Beispiel: Quartiers-Sanierungskonzepte). Positiv ist, dass für die Maßnahmen im Maßnahmenkatalog 2022 die Verantwortlichkeiten in der Verwaltung klar benannt werden. Zudem enthält er dieses Mal eine Abschätzung der Personal-, Investitions- und Sachkosten. Sehr kritisch wird von MainzZero beurteilt, dass für die meisten Maßnahmen ein weiterer konkreter Stadtratsbeschluss notwendig ist. Und: nicht einmal für die Sofortmaßnahmen in den nächsten Jahren ist bisher ein entsprechendes Budget im Haushaltsentwurf für den Doppelhaushalt 2023/24 enthalten.
Ein Beispiel sind die Quartierssanierungskonzepte – hier hat die Stadt Mainz möglich gewesene Energie-Einsparpotentiale auf Kosten der Bürger:innen versäumt. Die Maßnahme B.2.1 ‚Roll-out Integrierte Quartierskonzepte und Sanierungsmanagement (2022)‘ ist fast identisch mit der im 2017er Plan aufgeführten Maßnahme B.1.1 ‚Integrierte Stadtentwicklung in Bestandsquartieren‘. Die Sofortmaßnahme von 2017 wurde nicht umgesetzt, obwohl dies bis 2020 hätte geschehen sollen. So wurde auch das auf dem Mainzer Lerchenberg durchgeführte und von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) geförderte Quartierskonzept nicht auf andere Stadtteile ausgeweitet, obwohl eine Förderung durch die KfW auch hier möglich gewesen wäre. Damit hätten Energiekosten wesentlich reduziert werden können.
Die Beschlussvorlage für die Stadtratssitzung enthält darüber hinaus aus Sicht von MainzZero blockierende Punkte, die einer schnellen Umsetzung der Maßnahmen im Wege stehen. Es hat für Erstaunen und Enttäuschung gesorgt, dass im Klimaschutzbeirat nur über den Masterplan, nicht aber über die Beschlussvorlage diskutiert wurde.
Die vier wichtigsten Kritikpunkte sind:
- Es fehlt die Verbindlichkeit des Masterplans. Denn: Jede Maßnahme muss vor der Umsetzung noch einmal durch den Stadtrat (Punkt 3 der Beschlussvorlage).
- Es fehlen regelmäßige Zwischenberichte, die ein Nachkorrigieren in der Umsetzung möglich machen würden. Geplant ist nur alle 2,5 Jahre ein Bericht zum Sachstand der umgesetzten Maßnahmen und alle fünf Jahre eine Fortschreibung der Treibhausgasbilanz für Mainz (Punkt 8 der Beschlussvorlage). Wie will Mainz bis 2035 klimaneutral werden, wenn wir nur alle fünf Jahre wissen, wo wir stehen?
- Es fehlt eine ämter- und dezernatsübergreifende Schnittstelle, obwohl sie vom externen Beratungsbüro dringend empfohlen wird. Klimaschutz ist eine Querschnittsaufgabe. Daher ist umgehend eine entsprechende Koordinationseinheit als Stabsstelle unter dem Oberbürgermeister einzurichten.
- Es fehlt an entsprechendem Budget im Entwurf des Haushaltsplans, um die Maßnahmen und Sofortmaßnahmen im Rahmen des Haushalts 23/24 umsetzen zu können.
„Regelmäßige Zwischenberichte und die Verbindlichkeit des Masterplans Klimaschutz sind absolut essenziell, wenn die Klimaschutzmaßnahmen schnell umgesetzt werden sollen. Das Umsetzen der Maßnahmen aus dem Masterplan Klimaschutz darf nicht im Sande verlaufen, wie es beim letzten Masterplan und bei vielen anderen bereits beschlossenen Maßnahmen passiert ist!“, so MainzZero-Sprecherin Edith Heller.
Fazit von MainzZero: Die Maßnahmen sind gut. Aber: wenn die Stadtverwaltung nicht parallel zur Verabschiedung des neuen, alten Maßnahmenkatalogs umgehend eine zentrale Koordinationseinheit ‚Klimaschutz‘ als Stabsstelle einrichtet und der Stadtrat das notwendige Budget für alle Sofortmaßnahmen im Haushalt bereitstellt, dann ist Klimaschutz in Mainz weiterhin ein Papiertiger ohne Wert!
BioTech-Hub: Klimaschutz muss in Abwägungen an erster Stelle stehen
Das zweite wichtige Thema der Stadtratssitzung wird der geplante BioTech-Hub sein. Dabei ist es essenziell, dass der Klimaschutz bei den Abwägungen höchste Priorität hat. Die vier wichtigsten Forderungen von MainzZero sowie der Vernetzungsgruppe zahlreicher Umwelt- und Nachhaltigkeitsgruppen aus Mainz und Umgebung zum BioTech-Hub sind:
- Mainz braucht Frischluft! Frischluftschneisen dürfen nicht weiter versiegelt werden. Dies hat bereits 2017 die Klimprax-Studie für Mainz und Wiesbaden eindeutig aufgezeigt. Seitdem gibt es wesentlich mehr Hitzetage und tropische Nächte.
- Naturschutz und Erhalt von wertvollem Ackerland müssen vollumfänglich berücksichtigt werden, es darf keine neue Versiegelung in diesem Gebiet geben.
- Umnutzung und Bauen im Bestand müssen ernsthaft geprüft werden, so z.B. das Allianzhaus / LBWB-Bau für Büroflächen, Gewerbegebiet Hechtsheim oder das Nestlé-Gelände. Semi-zentrale Lösungen müssen gleichberechtigt evaluiert werden. Daher darf die Campus-Idee mit einer zusammenhängenden Lösung nicht stärker gewichtet werden als der Klimaschutz.
- Aufgrund der Relevanz dieses Themas für die Entwicklung von Mainz müssen alle weiteren Entscheidungen bis nach der OB-Wahl vertagt werden.
Insbesondere müssen diese Rahmenbedingungen im Ideenwettbewerb zwingend enthalten sein und der Ideenwettbewerb sollte offen gestaltet sein, so dass jede*r Ideen einreichen kann.
Doppelhaushalt: Geld für Klimaschutz ist vorhanden
Dieser Doppelhaushalt wird darüber entscheiden, wie sich Mainz beim Klimaschutz aufstellt. Das Geld ist da, um die großen und wirklich entscheidenden Maßnahmen in den Bereichen Gebäude, Energie und Mobilität anzustoßen und den ‚Masterplan 100% Klimaschutz‘ umzusetzen. Die entscheidende Frage ist: Wird die Stadt das auch tun?
Hans-Georg Frischkorn fasst die aktuelle Situation so zusammen: „Die erste Version des eingebrachten Haushalts war für den Klimaschutz ungenügend. Die laufenden Verhandlungen sind vertraulich und die geplanten Änderungsanträge können bisher nicht von uns eingesehen werden. Wir hoffen inständig, dass die Stadt Mainz die Dringlichkeit der Klimakrise verstanden hat und die notwendigen finanziellen Mittel für Klimaschutz und Klimawandelanpassung zur Verfügung stellt. Jeden fehlenden Euro für Klimaschutz und Klimawandelanpassung werden wir schon bald bei Naturkatastrophen oder durch innerstädtische Hitzetote zu spüren bekommen.“