Nachrichten Mainz | Die Stadt Mainz verhängt ein Diesel-Fahrverbot. Fahrzeuge mit einem Dieselmotor bis einschließlich der Euronorm 5 und ältere Benziner (Euro 1 und 2) dürfen ab dem 1. Juli einen Teil der Rheinachse nicht mehr befahren. So teilte es Verkehrs- und Umweltdezernentin Katrin Eder (Grüne) am Freitag auf einer offiziellen Pressekonferenz mit. Das Diesel-Fahrverbot zieht sich von der Rheinstraße ab Höhe Holzhofstraße bis zur neuen Feuerwache auf der Rheinallee. Auch die Theodor-Heuss-Brücke zwischen Mainz und Wiesbaden wird für die oben genannten Fahrzeuge nicht mehr befahrbar sein.


Umleitungsstraßen als nächstes betroffen?

Aus dem Umfeld der Mainzer Stadtspitze teilte man uns letzte Woche mit, dass ein erhöhtes Verkehrsaufkommen in der Weißlilliengasse und den anderen Umleitungsstraßen zu erwarten sei. Dadurch sinke wahrscheinlich die Stickstoffdioxid Belastung im Bereich der Rheinachse. Jedoch gehe man davon aus, dass der Wert in den umliegenden Straßen durch die zu fahrenden Umwege steigt, sodass diese als nächstes von dem Fahrverbot betroffen sein werden in naher Zukunft.

Die Umleitungsstraßen haben durch die dicht beieinander stehenden Gebäude eine geringere Frischluftzufuhr als die direkt am Rhein liegende Fahrverbots-Zone. Durch den geballten Verkehr werde der Wert in diesem Bereich noch schneller ansteigen. Dies erschwere die Einhaltung der europäisch festgelegten Grenzwerte von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter in vielen weiteren Stadtbereichen.

„Das ist aber erst der Anfang. Man geht davon aus, dass die gesamte Stadt noch in der aktuellen Amtszeit von Oberbürgermeister Michael Ebling zum Großteil autofrei werden soll“, berichtet man uns.

Jetzt sei aber erst einmal der Umweltaspekt fraglich, wenn aus einem Weg von wenigen Metern plötzlich eine mehrere Kilometer lange Strecke wird. Wer die Umgehungsstraßen fährt, habe schnell das dreifach des Weges zusammen.

Oberbürgermeister Michael Ebling betonte im Jahr 2019 während seines Wahlkampfes mehrfach: In zehn Jahren werde in der Mainzer Innenstadt kein Verbrennungsmotor mehr fahren, dafür aber die Citybahn über die Theodor-Heuss-Brücke.

Höhere Belastung für Schiersteiner und Weisenauer Brücke

Wer zuvor die Heuss-Brücke nutzte, um auf die andere Rheinseite zu kommen und auf das Auto angewiesen ist, wird in Zukunft einen Umweg über die Autobahn in kauf nehmen müssen, sofern er ein betroffenes Fahrzeug hat.

Die Autobahn 643 ist im Abschnitt zwischen dem Schiersteiner Kreuz und dem Mainzer Dreieck mit täglich bis zu 86.000 Fahrzeugen stark belastet und zu bestimmten Tageszeiten auch überlastet. Durch das Fahrverbot werde die Frequenz der Autos dort weiter steigen.

War es schon vor der Mainzer Oberbürgermeisterwahl beschlossen?

Wie uns weiterhin mitgeteilt wurde, war die Dieselverbotszone an der Rheinachse bereits vor der Wahl des Oberbürgermeisters Gesprächsthema und wurde dort schon angesprochen. Die aktuelle Sperrung der Heuss-Brücke und das nur anfängliche Verkehrschaos zeige auch, dass die Sperrung für Dieselfahrzeuge keine langfristigen Probleme mit sich bringe. Mit der Citybahn zwischen Mainz und Wiesbaden wäre eine gute Alternative gefunden. Die Bürger würden somit die Einführung der Citybahn eher befürworten.

Wir haben bei der Stadt Mainz nachgefragt

Folgende Fragen haben wir der Stadt Mainz bezüglich des Diesel-Fahrverbots schriftlich gestellt:

  • Wie sieht das Verkehrskonzept in Mainz für die kommenden acht Jahre aus?
  • Welche weiteren Einschränkungen sind bereits angedacht?
  • Welche Einschränkungen sind zukünftig möglich?
  • Wird eine autofreie Stadt als erstrebenswertes Ziel angesehen? Falls ja, bis wann? Falls nein, warum nicht?

Die Stadt reagierte ausweichend auf unsere Anfrage und beantwortete unsere Fragen nicht. Wir erhielten lediglich diverse Unterlagen wie Gutachten und Studien.


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Auszüge aus einem Gutachten zur Belastung der Stadt Mainz durch Stickstoffdioxid

Die folgenden Auszüge sind aus einem Gutachten des Ingenieurbüros Lohmeyer GmbH & Co. KG. Dieses sendete uns die Stadt Mainz auf unsere Anfrage hin zu. Das Gutachten wurde im Dezember 2019 erstellt. 

„Auch unter Berücksichtigung dieser Maßnahmen sind entlang der Rheinachse (Rheinallee/Rheinstraße) dennoch weiterhin deutliche Konflikte mit dem Grenzwert für NO2 Jahresmittelwerte von 40 µg/m³ zu erwarten; dies wurde im Rahmen von Wirkungsberechnungen durch unser Büro im Januar (Lohmeyer, 2019a) und im September (Lohmeyer, 2019b) ermittelt und messtechnisch bestätigt.“

„Zur weiteren Reduzierung der NO2-Belastung sind nun weitere Maßnahmen geplant, für die eine Wirkungsberechnung auszuarbeiten ist. Die geplanten Maßnahmen umfassen eine Tempo-30 Regelung entlang der Rheinachse (Rheinallee/Rheinstraße) und der Kaiserstraße/Parcusstraße inklusive eines Maßnahmenpakets zur Verkehrsverstetigung (Ampelschaltungen, Einschränkung von Linksabbiege-Möglichkeiten, Vermeidung von Parken in zweiter Reihe, Zuflussdosierung). Zusätzlich sind die Auswirkungen eines streckenbezogenes Dieselfahrverbots entlang der Rheinachse aufzuzeigen; die beplanten Straßen der Rheinschiene liegen südlich des Kaiser-Karl-Rings und nördlich der Holzhofstraße.“

„Für den Prognosenullfall 2020 wird an der Messstation Mainz-Parcusstraße gegenüber dem Referenzfall 2019 eine Verringerung der NO2-Gesamtbelastung um ca. 4 % mit Konzentrationsänderungen von etwas unter 2 µg/m³ erzielt; dabei wird weiterhin eine knappe Überschreitung des Grenzwertes für NO2-Jahresmittelwerte prognostiziert. An den anderen Messstandorten sind vergleichbare Entwicklungen abgeleitet; am Messstandort Kaiserstraße/Rheinallee wird der Grenzwert ebenfalls weiterhin aber knapp überschritten. Entlang der Rheinschiene werden ebenfalls gewisse Verringerungen der NO2-Gesamtbelastung erzielt (Abb. A2), dabei sind überwiegend NO2-Jahresmittelwerte unter 50 µg/m³ prognostiziert.“

„Zusammenfassend ist festzuhalten, dass im Jahr 2020 an den Messstandorten in der Parcusstraße und Kaiserstraße/Rheinstraße zum Teil knappe Überschreitungen des Grenzwertes für NO2-Jahresmittelwerte zu erwarten sind. An den übrigen betrachteten Messstandorten sind keine Konflikte abgeleitet. Mit Einführung einer Tempo-30 Regelung entlang der Parcusstraße/Rheinstraße ist auch im Bereich der Messstelle Parcusstraße und Kaiserstraße/Rheinstraße eine Grenzwerteinhaltung prognostiziert. Im Bereich der Rheinschiene führt eine Tempo-30 Regelung ebenfalls zu einer Verringerung der NO2-Immissionswerte, wobei insbesondere entlang der derzeit stark belasteten Rheinstraße eine Einhaltung des Grenzwertes weitere erhebliche verkehrliche Einschränkungen erfordert.“


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Auszüge und Grafiken vom Stadtplanungsamt der Stadt Mainz

Im Herbst 2019 zielt die Deutsche Umwelthilfe (DUH) erneut auf die Vollstreckung eines Dieselfahrverbots in der Mainzer Innenstadt ab und versucht, dieses juristisch zu erwirken. Hintergrund sind die erheblichen Grenzwertüberschreitungen für Stickoxide entlang der Rheinachse, nachgewiesen mittels der dort installierten Passivsammler.

Der aktuelle Luftreinhalteplan enthält derzeit kein Szenario einer Dieselfahrverbotsstrecke im Abschnitt zwischen Holzhofstraße und Frauenlobstraße. Nachfolgend wird daher anhand einschlägiger Datengrundlagen hergeleitet, inwiefern sich eine solche Maßnahme auswirkt. Dabei stehen nicht die Auswirkungen auf die Luftschadstoffe im Vordergrund – diese sind Teil eines gesonderten Fachgutachtens – , sondern vielmehr die Mengengerüste betroffener Dieselfahrten sowie deren überschlägigen Verlagerungen.

Im Ergebnis wird dabei ebenfalls betrachtet, ob eine derartige Dieselfahrverbotsstrecke ggf. weitere, die Luftschadstoffbelastung senkende Effekte für die gesamte Mainzer Innenstadt mit sich bringt, gemessen an einer Abschätzung sich verändernder Häufigkeiten von Dieselfahrten in diesem Bereich.

„Die in Anlage-1 dargestellten Verkehre zwischen den Querschnitten 2 und 5 (und umgekehrt) fahren auf einer alternativen Route weiterhin durch die Innenstadt (Zone A). Hierbei wird jedoch unterstellt, dass die umwegige Führung bei Umfahrung der Dieselfahrverbotsstrecke Rheinachse ein Drittel der Fahrer dazu veranlasst, die Innenstadt bereits auf einer weiträumigeren Route zu umfahren, so dass dieser Anteil die Zone A künftig gar nicht mehr tangieren wird. Von den ursprünglich 1.150 Dieselfahrten von 5 nach 2 über die Rheinachse nehmen folglich nur noch zwei Drittel, also 760, eine alternative Route durch die Innenstadt; in Gegenrichtung sind es von insgesamt 1.350 Dieselfahrten nur noch in Summe 890 (vergl. Anlage-2).“

„Weiterhin dargestellt sind in der Anlage-2 die Verkehre, die sich zwischen der Zone A nach Zone D (blau) und umgekehrt (rot) in Folge der Nicht-Befahrbarkeit der THB nun einer alternativen, großräumigeren Route über eine der beiden Autobahnbrücken (BAB 60 oder BAB 643) bedienen müssen. Die Verteilung auf die nördliche bzw. südliche Ausweichroute ist abgeleitet aus den aggregierten Quell-Zielgebieten und der danach wahrscheinlichsten Routenwahl. Diese Verkehre verändern die Belastung der Innenstadt mit Dieselfahrten insgesamt aber nicht, sondern allenfalls die Richtungsbelastungen auf einzelnen Netzabschnitten der (zentralen) Innenstadt. Dieser Effekt ist für die vorliegende Betrachtung auf Basis einzelner Strecken jedoch nicht zu quantifizieren und im anstehenden Kontext für eine Beurteilung zudem entbehrlich

„Die Schlussfolgerungen aus den Aussagen zum Mengengerüst und den Verlagerungswirkungen sind der Anlage-3 zu entnehmen.

Dabei ist zunächst zu konstatieren, dass die Rheinachse in ihrem Verlauf zwischen Holzhofstraße und Frauenlobstraße massiv von Dieselfahrten entlastet werden wird. Dies betrifft über die gesamte Länge die wegfallenden Dieselfahrten von Querschnitt 2 nach 5 und umgekehrt mit in Summe 2.500 Fahrten.

Hinzu kommen die wegfallen Dieselfahrten zwischen der Zone A und der Zone D (Hin- und Rückrichtung) mit insgesamt (3.510 + 2.925 =) 6.435 Kfz. Ebenfalls wegfallen werden die 6.700 Dieselfahrten (Hin- und Rückrichtung) der Wegebeziehungen zwischen den Querschnitten 2,3,4,5 und 1. Diese insgesamt ca. 13.100 Dieselfahrten entlasten grundsätzlich die Dieselfahrverbotsstrecke Rheinachse, wenn auch in, je nach Abschnitt, unterschiedlicher Stärke. Die Unterscheidung der Entlastungswirkung nach einzelnen Abschnitten ist mit dem gewählten Untersuchungsumfang nicht möglich. Gesichert ist hingegen die Aussage, dass die Querschnittsbelastung der THB um diese ca. 13.000 Dieselfahrten vollumfänglich entlastet wird.

Ergänzend hierzu stellt sich die Frage, ob die gesamte zentrale Innenstadt per Saldo durch ein Dieselfahrverbot stärker durch von der Rheinachse verlagerte Dieselfahrten betroffen wäre? Hierzu lassen sich die Aussagen der Anlage-3 heran ziehen. Konservativ angesetzt wird die zentrale Innenstadt – losgelöst von den Veränderungen auf der Rheinachse – in jedem Fall mindestens von den wegfallenden Dieselfahrten zwischen den Querschnitten 1 und 3 (Hin- und Rückrichtung) sowie 1 und 4 (Hin- und Rückrichtung) entlastet. Das betrifft in Summe 1.935 Dieselfahrten. Demgegenüber stehen die in Summe 1.650 Dieselfahrten, die sich durch die Sperrung der Rheinachse zusätzlich in der Innenstadt ergeben (siehe 2.2).“

Deutsche Umwelthilfe zum Luftreinhalteplan der Stadt Mainz

Wir begrüßen das heute von der Stadt Mainz bekannt gegebene streckenbezogene Diesel-Fahrverbot für alle Fahrzeuge schlechter als Euro 6/VI auf der Rheinachse ab 1. Juli 2020. Die Stadt Mainz kommt damit einer Gerichtsentscheidung durch eine neue von der Deutschen Umwelthilfe angestrengten Klage vor dem Oberverwaltungsgericht in Koblenz zuvor. Nach allen vorliegenden Untersuchungen wird nur die konsequente Aussperrung der besonders schmutzigen Diesel-Fahrzeuge mit hohen Stickoxid-Realemissionen dazu führen, dass auch in Mainz nach nunmehr 10 Jahren endlich der Grenzwert für das Dieselabgasgift Stickstoffdioxid (NO2) eingehalten wird und damit die Mainzerinnen und Mainzer endlich die saubere Luft atmen können.“, kommentiert Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH).


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Jürgen Resch zu Ausnahmegenehmigungen in Mainz

Täglich werden rund 13.000 Dieselfahrzeuge weniger die Heuss-Brücke und damit auch die Mainzer Innenstadt passieren. Schadstoffmessungen fehlen außerdem an den parallel zur Rheinachse verlaufenden Straßen wie der Hindenburgstraße und der Boppstraße.

Damit ist nicht überprüfbar, ob durch mögliche Verlagerungsverkehre die Grenzwerte zukünftig an diesen beiden Straßen überschritten werden. Ist dies der Fall, müssen zusätzlich zonale Diesel-Fahrverbote auch für die Innenstadt von Mainz erlassen werden. Ob die Entlastungswirkung auf der Rheinachse tatsächlich eintritt, hängt zudem davon ab, dass die Einhaltung des Dieselfahrverbots durch eine kontinuierliche Verkehrsüberwachung und Ahndung der Verstöße mit Bußgeldern erfolgt und Ausnahmegenehmigungen nur in wenigen begründeten Einzelfällen erteilt werden“, so Resch weiter.

Kommentar der Bürgerinitiative Neustadt-Ufer Mainz e.V. zum Dieselfahrverbot

„Die Bürgerinitiative Neustadt-Ufer weist darauf hin, dass mit dem angekündigten Dieselfahrverbot die Grundlage für die geplanten Frachtschiffparkplätze in der Neustadt entfällt. Laut Schadstoffgutachten der Stadt Mainz/WSA Bingen werden die Frachtschiffe allein durch die Liegestelle mehr als 10µg/m³ Stickoxide zusätzlich in die Neustadt spülen, der Autoabsetzplatz kommt on Top dazu. Damit werden alle Einsparungen durch das Dieselfahrverbot überkompensiert und die Bürger der Neustadt vorsätzlich überhöhten Stickoxid-Werten ausgesetzt.

Die Frachtschiffe auf dem Rhein sind im Schnitt älter als 43 Jahre und haben keine Abgasreinigung. Bislang werden die Abgase in der Fahrrinne rund 70 Meter vom Ufer entfernt verwirbelt. Bei den geplanten Frachtschiffparkplätzen werden die Schadstoffe durch die An- und Ablegemanöver unmittelbar neben dem Rheinufer direkt in die Neustadt getragen.“, teilte Torsten Kirchmann, Sprecher der Bürgerinitiative Neustadt-Ufer Mainz e.V. uns schriftlich mit.

 


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