Nachrichten Ingelheim | Im Rahmen archäologischer Ausgrabungen im Gertrudenhof wurden wohl die ersten Ingelheimer entdeckt. Die Ausgrabungen dort sind seit dem 5. Juni beendet. Bürgermeisterin und Kulturdezernentin Eveline Breyer berichtet: „Die erhofften frühmittelalterlichen Grubenhäuser oder Baukonstruktionen kamen dabei zwar nicht ans Tageslicht, dafür aber eine kleine wissenschaftliche Sensation.“


Gertrudenhof wohl Zentrum des mittelalterlichen Lebens in Ingelheim

Der Gertrudenhof liegt zwischen der Pfalzanlage und der St.Remigiuskirche. Das Areal ist 0,37 Hektar groß und war bis 2019 ein Weinberg. Die Arbeiten dort sind inzwischen beendet, nun soll dort eine Wohnanlage entstehen. Bereits im Zeitraum von 1994 – 2019 sind hier und in unmittelbarer Nähe immer wieder archäologische Funde aufgetaucht. Die Funde stammen aus dem Früh,- bis Spätmittelalter wie zum Beispiel der merowingischen Epoche (500 – 700 n.Chr.). Ein Beispiel für diese Funde ist der Goldsolidius mit dem Bildnis von Karl dem Großen. Bürgermeisterin Breyer erklärt: „Hier spielte sich also seit langem das Leben in Ingelheim ab. All dies ließ die Forscher vermuten, auf dem Gertrudenhof weitere Puzzleteile des mittelalterlichen Ingelheim aufdecken zu können.“

Im Rahmen des archäologischen Stadtkatasters werden verschiedene Gelände in Ingelheim untersucht um Spuren alter Geschichtsepochen zu entdecken und zu erfassen. Die erfassten Daten ermöglichen es Wissenschaftlern, zu erwartende Funde zu erforschen. Dies geschieht natürlich in Absprache mit den jeweiligen Bauherren und Grundstückseigentümern. Man möchte nicht, dass Relikte vergangener Zeiten verloren gehen oder übersehen werden.

Unterstützung erfolgt durch die Bauunternehmung Karl Gemünden GmbH & Co.KG. Sowohl finanzielle Mittel als auch ein Bagger wurden bereitgestellt. Der Bagger trägt die obersten Erdschichten ab bevor die Archäologen mit feineren Werkzeugen weiter arbeiten können. Mit Kameras und Drohne werden nach der Freilegung der Funde Fotos gemacht. Die Bilder werden als Grundlage genutzt um später am Computer genaue Modelle des Geländes und der Funde zu erstellen. Insgesamt wurden auf diese Weise bereits 21 Grabungsabschnitte mit einer Fläche von 2500 Quadratmetern untersucht.

Archäologischer Stadtkataster rettet Ingelheimer Geschichte

Nicht immer sind die Funde und Entdeckungen der Ausgrabungsarbeiten übermäßig spektakulär. Meist finden sich Drainagen zur Entwässerung oder Fundamentreste. Diese Reste und Gräben deuten auf eine Zeit aus dem 19. Jahrhundert hin. Im südlichen Bereich wurden dann jedoch insgesamt drei Grabstellen entdeckt. Sie stammen vermutlich aus einer Zeit die sich Schnurkeramik nennt. Sie beginnt am Ende der Jungsteinzeit um etwa 2800 vor Christus und bedeutet den Übergang zur Bronzezeit. Über diese Zeit gibt es nur sehr wenige Dokumentationen aus Rheinhessen.

Die Bestattungsform deutet dennoch sehr auf diese Zeit. Ein besonders gut erhaltenes Skelett wurde in Hocklage bestattet, diese Form ist typisch für diese Zeit. Die Vermutung des Archäologen muss nun durch eine genauere Untersuchung der Knochen bestätigt werden. Ohne die Daten des bereits erfassten Katasters wären die Spuren vermutlich unentdeckt geblieben und im Rahmen einer Neubebauung dem Bagger zum Opfer gefallen. Das Kataster hat auch im Neubaugebiet „Am Gänsberg“ auf Funde aus der Bronzezeit, Römerzeit und dem frühen Mittelalter gedeutet. Dort wurden insgesamt 195 Befunde und Einzelfunde auf einer Fläche von etwa zwei Fußballfeldern durch die Archäologen entdeckt. Inzwischen ist dort ein Neubaugebiet entstanden.

Ausgrabungen in der Rotweinstraße sollen fortgesetzt werden

Auf dem Reihengräberfeld in der Rotweinstraße wurden bereits interessante Funde gemacht. In zwei Gräbern aus der Merowingerzeit wurden goldene beziehungsweise vergoldete Münzen gefunden. Diese Münzen und Gräber sollen nun weiter untersucht werden um mehr über das Alter der Gräber und den sozialen Status der darin bestatteten  Personen machen zu können.