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In dieser Serie kommt ein Hund zu Wort: der Don. Der Dicke und ich, wir sind im Krieg. Täglich. Die Schlachten werden mit viel List und wenig Rücksicht geführt. Dabei wäre es so leicht, Frieden herzustellen. Der Dicke müsste einfach nur aufgeben, vor mir Essen verstecken zu wollen. Ich kriege es ohnehin.

Wir haben Oktober. Für mich bedeutet das zweierlei: Ich muss dem Dicken zuschauen, wie er McRibs in sich reinstopft, weil die im Angebot sind. Obendrein verpestet er die Wohnung akustisch mit Last Christmas. Im Oktober? Danke, dass Ihr mich versteht.

Zudem fängt der Dicke an, Lebkuchen zu kaufen. Die deponiert er im Hängeschrank. Einer der wenigen Plätze, an die ich nicht rankomme. Früher hat er auch versucht, Adventskalender aufzuhängen. Doch das hat er aufgegeben.

Neugierig. Foto: Mario Thurnes

Wegen mir. Ich habe mir die letzten beiden von der Wand geholt. Und geplündert. Wen es jetzt auf der Zunge juckt, die Welt darüber aufzuklären, dass Schokolade für Hunde ungesund ist, soll das bitte dem Dicken sagen. Er hört es so gerne. Immer und immer wieder.

Denn ich bin gut darin, mir Essen zu holen, das nicht für mich gedacht ist. Auch und gerade Schokolade. Neben den Adventskalendern hatte der Dicke früher genau so gerne Schoko-Hasen im Haus. Nachdem ich einige erobern konnte, hat er die nächsten auf das zweitoberste Regal einer Bücherwand gestellt. Weil ich da nicht rankomme.

Mit den Hinterpfoten auf dem Esstisch

Dachte er. Doch ganz im Geiste von Ostern habe ich mich daran gemacht, das Nest zu finden: Mit den Hinterpfoten auf den Esstisch. Mit den Vorderpfoten auf dem Regal abstützen. Und dann mit der Schnauze die Osterhasen runterziehen. Leichteste Übung. Ach ja – dass Schokolade ungesund für Hunde ist, unbedingt dem Dicken mitteilen. Gerne auch mehrfach – nur durch Wiederholung prägt es sich ein.

Der Krieg ums Essen ging schon an unserem ersten gemeinsamen Tag los. Einem Montag. Sonntags hatte sich die Doppelkopfrunde bei ihm getroffen. Und Pizzareste hinterlassen. Als der Dicke an jenem besagten Montag auf dem Klo war, holte ich mir ein Viertel der Pizza. Ich sehe da kein Problem drin. Auf die Idee, Teller und Geschirr auf Pizzaschachteln zu stellen, bin ja nicht ich gekommen.

Nun lagen die Scherben in der Küche und ich im Wohnzimmer und habe Pizza gegessen. Der Dicke kam dazu und hat völlig unangemessen geplärrt. Das eine Viertel hatte mir also unverhältnismäßig viel Ärger eingebracht. Um das Verhältnis nun wieder ins Lot zu bringen, bin ich an dem Dicken vorbei in die Küche gelaufen und habe mir das nächste Stück Pizza gesichert. Es muss ungesund gewesen sein, so gut wie es geschmeckt hat. Der Dicke war sprachlos, was danach nicht mehr oft passiert ist. Leider.

Fressen ja, Moral nein

Manches gibt der Dicke allerdings gerne. Als Falk Champions League mit uns geschaut hat, hat er Gänseleber mitgebracht. Er hatte sie in der Tombola gewonnen. Aus moralischen Gründen wollte er sie nicht essen. Tilo und der Dicke auch nicht. Ich sehe es da wie Bert Brecht: „Gib mir das Fressen, behalt du die Moral.“

Die Frage, wer den Krieg gewinnt, ist schnell beantwortet: Ich. Meine Erfolgsliste ist lang: Hühnerknochen, eine halbe Schüssel Kartoffelsalat oder die Glasur eines Schokokuchens stehen darauf. Und falls Ihr jetzt erst bemerkt, dass ich auch Ungesundes esse, sagt es ruhig dem Dicken – damit kommt Ihr nie zu spät.

Nach meiner Zeit auf der Straße setze ich meine eigenen Prioritäten bei der Auswahl des Essens. Ich nehme nur das, was da ist. Aber davon alles. Zum Entsetzen – und auch zum Hohn – des Dicken war da mal ein eingetrockneter Kaugummi von der Fahrbahn drunter.

Der Dicke nimmt es sportlich. Meistens. Als er sich sündhaft teure Käsekräcker aus Holland mitgebracht hat, hätte er sie besser nicht aus dem Auge gelassen. Gut. Es war mir ein wenig unangenehm, zu sehen, wie geknickt er nach meinem Sieg war – andererseits: Wie viel Rücksicht soll man noch auf jemanden nehmen, der einen schon im Oktober mit Last Christmas quält?

Der Dicke und ich, ich im Vordergrund. Selfie: Der Don

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