Hier kommt das andere Ende der Leine zu Wort: der Don. Draußen habe ich jemanden kennengelernt. Er sei reinrassisch, betonte er. Das macht nix, ich hab‘ keine Vorurteile, meinte ich. Und auch danach haben wir uns nicht sonderlich gut verstanden.


„Ich heiße Arco aus dem Wiesengrund“, hat er sich vorgestellt. „Freut mich, ich bin Donny von der Ikea-Couch.“ Also die Vorstellung lief noch ganz gut. Aber insgesamt geriet der Treff doch irgendwie schräg. Arco – oder Wiesi, wie ihn seine Freunde nennen – war doch etwas distinguiert.

In den Büchern, die der Dicke liest, heißt es: Die Halter hätten Einfluss darauf, wie der Kontakt unter den Hunden abläuft. Das Wort „Halter“ lasse ich an der Stelle mal unkommentiert und konzentriere mich auf das Wesentliche: „Der Dicke ist schuld, dass es mit mir und Arco aus dem Wiesengrund“ nicht geklappt hat.“ Hätten wir das auch geklärt.

Gut, richtig überraschend war das jetzt nun nicht. Stärker verblüfft war ich darüber, dass ich mit der Erklärung des Dicken durchaus was anfangen konnte: Man müsse sich nur die Soziologie der Menschen anschauen. Es gibt viele tolle Hunde, die verzweifelt ein Zuhause suchen und die geben wahnsinnig viel Geld dafür aus, ein Tier bei einem Züchter zu ordern und noch mehr Geld, wenn die Eltern des Hundes miteinander verwandt sind. Wie man solche Menschen nenne?

„Idioten?“, lautete meine Antwort. Das sei zu wenig komplex, meinte der Dicke. Was so viel bedeutet wie: „Ich muss, aber ich will Dir nicht recht geben, also weiche ich vom Thema ab.“ Doch ich will nicht mehr Donny von der Ikea-Couch heißen, wenn ich mich so einfach abwimmeln lasse.

Der kommt aus der Pfalz – der ist bestimmt reinrassig

„Du weißt, was reinrassig bedeutet?“, habe ich ihn gefragt. Als er nicht antwortete meinte ich: „Letztlich zeugen Hunde andere Hunde mit Hunden, mit denen sie verwandt sind. Wisst Ihr, wie Ihr Menschen das nennt? Richtig: Inzucht.“ Und schließlich hat noch nie jemand bewundernd gesagt: „Oh schau mal, der kommt aus der Pfalz, der ist bestimmt reinrassig.“

Wir Mischlinge leben um einiges länger. Müssen lange nicht so früh und so oft zum Arzt und wir sind auch nicht distinguiert. Ich habe nämlich nachgeschlagen. Das ist gar nichts Gutes. Und Wiesi nennt ihn auch keiner, weil er gar keine Freunde hat. Aber dafür eine Nase, die nach allen Kriterien der Zuchtordnung geformt ist – aber dafür kommt nicht mehr genug Sauerstoff durch. Braucht man ja auch beim Atmen nicht.

Donny von der Ikea-Couch – Ihre Rute steht falsch

Wenn zu mir jemand käme und sagen würde: „Sehr geehrter Herr Donny von der Ikea-Couch, Ihre Rute steht um zwei Grad im falschen Winkel und ihr Fell weist an den falschen Stellen braune Farbsprenkel auf.“ Dann würde ich mich nicht aufregen. Ganz nüchtern und sachlich würde ich ihm antworten: „Schau dich selber an, du Hackfresse und jetzt mach dich ab und schau, dass du Wiesengrund gewinnst!“

Aufregen könnt ich mich. Reinrassig? Was für ein Quatsch! Am Ende des Tages kommt es nicht drauf an, in welchem Grad die Rute steht oder wie viele Farbsprenkel ich wo hab‘. Wie viele Enten kann ich jagen? Mache ich vor dem Dicken schlapp oder beenden wir den Spaziergang wieder mal, weil er nicht mehr kann? Und wie viel Platz kann ich auf der Ikea-Couch ergattern? Darum geht’s im Leben.

Dinge kommen, Dinge gehen. Das Leben erfindet sich permanent neu. Wie kann ein gesunder Mensch da auf den Gedanken kommen, irgendwas würde besser dadurch, dass es immer gleich bleibe. Über diesen Quatsch ist die Geschichte schon so oft hinweg gegangen. Reinrassig – Quatsch. Den Menschen ist es immer besser gegangen, wenn sie sich getroffen und vereint haben. Und bei den Hunden ist das auch nicht anders.

Die Namen in diesem Artikel sind übrigens erfunden. Außer der Dicke. Der heißt wirklich so. Auch wenn der Fette treffender wäre. Aber das ist ein anderes Thema.

Der Dicke und ich, ich im Vordergrund. Selfie: Der Don

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