Hier kommt das andere Ende der Leine zu Wort: der Don. Wenn es um Spitznamen für mich geht, ist der Mann, der nicht mal Pfannkuchen backen kann, überraschend erfinderisch. Wenig überraschend ist indes, wie beleidigend er dabei wird. Dabei gibt es nur einen Titel, den ich wirklich akzeptieren würde.


„Komm her, Digga“, ruft er nach mir. Ich tue, wie mir geheißen. Denn sagen muss ich nichts. Das übernehmen die Umstehenden für mich: „Du nennst Deinen Hund Dicker? Du hast es nötig.“ Er versucht dann etwas, über die Herkunft des amerikanischen Slang-Begriffs „Digga“ zu erklären – aber so lange hat ihm noch nie jemand zugehört.

Dabei muss ich ihn in Schutz nehmen. Auch wenn ich ihn ständig so nenne, so ist der Dicke doch nicht dick. Dafür müsste er erst einmal so um die 20 Kilo abnehmen. Aber „Der Fette und der Don“ klingt so disharmonisch. Deswegen habe ich mich entschieden, in dieser Kolumne ein Auge zuzudrücken. Davon abgesehen hat er ja sonst nichts.

Oder zumindest kaum etwas. Seinen Humor. Den trägt er wie eine Monstranz vor sich her. Ehrlich gesagt kenne ich nur die Redewendung und weiß gar nicht, was eine Monstranz ist. Aber es hört sich an wie „monströs“ und folglich passt es zum Humor des Dicken. Denn manche seiner Spitznamen sind für mich ehrverletzend.

Der Hund, den sie Ingo Doofinski nannten

„Ingo Doofinski“. „Kackerinho“. „Fresstonne“. „Leckerligrab“. All so etwas muss ich mir anhören. Immer und immer wieder. Dabei wird er nicht müde, neue Namen zu erfinden. Zum Glück hat der liebe Gott uns Hunde mit einem schwachen Gedächtnis ausgestattet. Sodass ich das meiste schon wieder vergessen habe.

Dabei habe ich nichts gegen Spitznamen. Grundsätzlich. Heike nennt mich immer „Land-Piranha“. Bei Nancy war ich immer der „Ganzkörperwackler“. Wegen der Art, in der ich mich über etwas freue. Und weil ich mich als positiv gestimmter Hund oft freue.

Doch all diese Spitznamen haben etwas gemeinsam. Nein, nicht dass sie nicht verletzend wären. Das sind sie. Wenn man darüber nachdenkt. Aber so wurde ich immer geheißen, wenn mir jemand was zu essen gereicht hat. Und dann ist es mir gerade mal egal, wie er mich dabei nennt. Vor allem wenn er eine Sie ist.

„Meister“ wäre ok

Natürlich habe auch ich Spitznamen für den Dicken. Also außer Dicker. Aber die würde ich nie öffentlich nennen. Meiner Mutter zuliebe. Die hat nämlich immer gesagt: „Welpe Nummer vier, so etwas schickt sich nicht.“ Deswegen halte ich mich zurück.

„Meister“. So dürfte der Dicke mich nennen. Das würde die Machtverhältnisse zwischen uns angemessen widerspiegeln. Letztlich ist doch im Leben entscheidend, wer den Spaziergang genießen darf – und wer mit dem Kotbeutel in der Hand hinterher rennt.

Also ertrage ich seine Spitznamen. Davon abgesehen habe ich zwischen all dem Weghören so viele Bestandteile der Slang-Erklärung des Dicken aufgeschnappt, dass ich mir mittlerweile zusammen reimen kann, wo „Digga“ herkommt. Der Dicke sieht sich also auf einer Stufe mit mir. Interessant. Es wird noch ein weiter Weg, bis er mich „Meister“ nennt.

Der Dicke und ich, ich im Vordergrund. Selfie: Der Don

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