Hier kommt das andere Ende der Leine zu Wort: der Don. Seit 56 Jahren ertrage ich nun mein Joch mit dem Dicken. Die Zeit verlief dennoch glücklich. Besonders weil Menschen da waren, die mir geholfen haben. Einigen davon soll jetzt die Unterkunft genommen werden, obwohl es nachts noch saukalt wird. Ganz höflich gefragt – geht’s noch?


Als ich nach Mainz kam, habe ich im Landtag gewohnt. Genauer gesagt im Abgeordnetenhaus. Dort hat der Dicke mich hin mitgenommen. Während er „gearbeitet“ hat, habe ich in meiner Ecke gelegen und ab und an mit Jan SWR4 gehört. Das war insgesamt ganz ok. Auch weil es mit Jana, Anni, Fenja, Janosch oder Antje Leute gab, die zwischendrin mal mit mir Gassi gegangen sind.

Dann kamen andere Zeiten und der Dicke durfte mich nicht mehr zur „Arbeit“ mitnehmen. Auch da waren Freunde für mich da. Aber halt nicht immer. Und zwischendrin wurde die Zeit alleine zuhause echt zu lange. Doch dann kamen wiederum Retter in mein Leben. Leuten, denen es zuvor selber dreckig ging. Und ausgerechnet denen soll jetzt nicht mehr geholfen werden. Geht’s noch?

Wissen, was es heißt, draußen zu schlafen

Es waren die Gassigeher vom Hundetraum. Menschen, die wie ich die Erfahrung gemacht haben, was es heißt, keine Heimat zu haben. Seelisch. Aber auch ganz praktisch. Wie es sich nachts draußen schläft. Ohne Sofa, Kissen oder Kuscheldecke. Die waren jeden Tag da für mich, pünktlich um 13 Uhr.

Menschen mit ihrem Schicksal sollen jetzt die Unterkünfte genommen werden. Sie gehen deswegen demonstrieren. Da kann ich nur sagen: Geht mit! Und wenn das nicht möglich ist, wendet Euch an Politiker, an die Stadt, an den Oberbürgermeister. Sagt Ihnen, was das ist: nämlich eine Sauerei ist das.

Ich bin nur ein Hund. Ich weiß nicht, was eine Pandemie ist. Oder wie und warum. Aber ich habe mitbekommen, dass sich das Leben geändert hat. Viele meiner Freunde, die ich früher jeden Tag gesehen habe, sehe ich so gut wie gar nicht mehr. Und von der Wurst vom Schorsch habe ich nur noch was, wenn ich schlafe. Ich weiß, dass sich das Leben aller geändert hat. Die Stadt scheint es nicht zu wissen.

Ich habe einen Schlafplatz

Mir geht es gut, ich will mich nicht beschweren. Ich habe meinen Schlafplatz im Warmen und im Trockenen – mein Essen und mein Trinken. Diejenigen, die obdachlos sind, haben das nicht. Und dass obwohl es in der Nacht so kalt wird, dass ich morgens gar nicht Gassi gehen will – vom Dicken gar nicht zu reden.

Bei den Spaziergängen treffen wir momentan öfters einen Obdachlosen. Er schläft zur Zeit in einer Toilette. Doch. Die Stadt kümmert sich um ihn. Am Rhein musste er neulich vor den Augen des Ordnungsamtes seine Dose Bier ausschütten. Es gelte ein Alkoholverbot, das schütze vor Corona.

Ich bin sehr dafür, dass Krankheiten bekämpft werden. Ich hatte Zwingerhusten und Hautkrebs, der Dicke war mit mir bei der Ärztin und zum Glück konnte die mir helfen. Doch. Krankheiten müssen bekämpft werden.

Lasst die Container stehen

Aber Ihr schickt Leute los, damit sie einen Obdachlosen zwingen, sein Bier auszuschütten. Gleichzeitig nehmt Ihr ihm aber seinen potentiellen Schlafplatz weg. Das haltet Ihr für Gesundheitsvorsorge. Wirklich? Geht’s noch?

Kann es nicht sein, dass Euch die Maßstäbe verrutscht sind? Ist Euch wirklich die Einhaltung einer S….ß-Verordnung wichtiger, als Menschen zu helfen? Glaubt Ihr wirklich, dass: Wir haben das immer schon so gemacht, reicht? In diesen Zeiten.

Wir haben eine Pandemie, Stadt Mainz. Ihr erinnert oft daran. Erinnert auch aber auch mal selber dran. Und lasst das Container-Dorf für die Obdachlosen stehen.