Stadion, Symbolbild, Quelle: pixabay.com

Was immer die Weltmeisterschaft in Qatar auch bringt, bis zum Abpfiff des Finalspiels am 18. Dezember ist alles möglich. Als klare Favoriten bei den Buchmachern gelten seit geraumer Zeit unverändert die Kicker aus Brasilien. Als vielversprechende Anwärter auf den Titel werden aber auch die Nationalmannschaften aus Argentinien und Frankreich gehandelt. Ihren einstigen Favoritenstatus haben die Deutschen seit dem blamablen Ausscheiden gleich in der ersten Phase der Weltmeisterschaft in Russland 2018 eingebüßt, aber abgeschrieben ist die Elf des seit 2021 amtierenden Bundestrainer Hansi Flick noch lange nicht, auch wenn ihre Chancen als geringer gewertet werden als die der Spanien und der Engländer.

Wer seine WM Wetten lange im Voraus abgeschlossen hat und die Prognosen sowie mögliche Gewinne mit heute vergleicht, wird zum Teil deutliche Unterschiede feststellen. Das liegt daran, dass die Berechnungen der Buchmacher, nach denen sie ihre Quoten festlegen, stets auf neueste Entwicklungen abgestimmt werden. Je mehr Informationen über die Leistungen der einzelnen Mannschaften, sowie Gerüchte über mögliche Probleme hinter den Kulissen oder neue Taktiken vorliegen, desto mehr Daten werden in die Kalkulationen einbezogen.

Selbst Dinge wie die Klimavorhersagen oder die Länge der Vorbereitungszeit können eine Rolle spielen. Das gilt insbesondere für Qatar. In dem Wüstenemirat ist es im Sommer so heiß, dass der Terminplan der ersten WM auf der arabischen Halbinsel auf Ende November und Dezember verschoben werden musste. Selbst dann klettern die Temperaturen tagsüber im Durchschnitt weiterhin auf über 20 Grad, während es nachts empfindlich kalt werden kann.

Die hohen Novembertemperaturen werden überwiegend als Vorteil für die Südländer angesehen, während die deutschen Kicker sowie die Nachbarn aus Nord- und Mitteleuropa eher an kaltes Schmuddelwetter gewöhnt sind.

Hinzu kommt das Fehlen der im Sommer übliche Pause nach dem Ende der Saison und des gemeinsamen Trainingslagers. Im Gegensatz zu sonst gingen die Bundesligateams gerade mal einen Tag vor dem Abflug in die Wüste in die Winterpause. Die endgültigen Kader standen erst kurz zuvor fest, so dass bis dahin nur von Spekulationen ausgegangen werden konnte. Überraschungen bei den Aufstellungen haben sich ebenfalls auf die Quoten ausgewirkt.

Im deutschen Team war im Allgemeinen davon ausgegangen worden, dass Mats Hummel seinen Stammplatz in der Nationalmannschaft behalten würde. Doch Hansi Flick entschied sich gegen den 33-Jährigen und räumte stattdessen Nachwuchstalenten eine Chance ein. Ein unvorhergesehener Schlag war auch der Ausfall von Timo Werner, der sich im letzten Spiel der Champions League eine Verletzung am Sprunggelenk zugezogen hat und längere Zeit ausfällt. Marco Reus, der gehofft hatte, sich von seiner eigenen Sprunggelenksverletzung rechtzeitig für den Einsatz bei der WM zu erholen, blieb ebenfalls aus Gesundheitsgründen zu Hause. Leroy Sané hat sich hingegen schnell genug erholt, um noch kurz vor Toresschluss seinen Platz im Kader zu erhalten.

Andere Nationalteams haben genauso Ausfälle hinnehmen müssen, die ihre Chancen schmälern könnten. Mitfavorit Frankreich, dessen Kader mit illustren Namen gespickt ist, muss auf den verletzten Mittelfeldspieler Paul Pogba verzichten.  Der hatte zwar schon seit längerem Knieprobleme gehabt, doch eine Meniskusoperation sollte das rechtzeitig für Qatar in Ordnung bringen. Stattdessen kamen nun noch Oberschenkelprobleme hinzu. Operationsbedingt fällt bei den Franzosen auch N’Gola Kanté aus.

Während bei den bisherigen Weltmeisterschaften dem Trainingslager ein besonderes Gewicht für die Prognosen eingeräumt und jedes Detail von der Häufigkeit des Ballbesitzes bis zum Tempo beim Sprint für die einzelnen Spieler analysiert wurde, mussten die Tipper und die Wettanbieter diesmal deutlich mehr auf allgemeine Einsichten und Bauchgefühl setzen. Lediglich das Freundschaftsspiel gegen Oman am 16. November bot dabei erste Erkenntnisse über die Stärken und Schwächen der deutschen Elf. Die beiden Neuzugänge, Niklas Füllkrug und Youssoufa Moukoko, liefen dabei jeweils für eine Halbzeit auf. Der erst am Starttag der Weltmeisterschaft 18 Jahre alt gewordene Moukoko, der damit als jüngster deutscher WM-Teilnehmer in die DFB-Geschichte eingegangen ist, zeigte dabei eine gewisse Nervosität. Füllkrug hingegen profilierte sich rasch als einer der besten Spieler auf dem Feld, auch schon vor seinem rettenden Tor zum 1:0.

Doch selbst mit der größten Datenmenge lassen sich die Ergebnisse nie hundertprozentig voraussagen, so wie auch die Quoten stark von den Einsätzen der Fans verändert werden können und in manchen Fällen schließlich statt Rationalität eher Wunschdenken widerspiegeln.

Sensationelle Siege und Niederlagen gehören seit jeher bei der WM dazu. Das hat auch die deutsche Nationalmannschaft im Laufe der Geschichte am eigenen Leib erlebt. Höhepunkt war 1954 das “Wunder von Bern”, als die unter ferner liefen eingeschätzten bundesdeutschen Kicker unter Trainer Sepp Herberger in der Schweiz die hochfavorisierten Ungarn mit 3:2 schlugen. Tiefpunkte waren 1978 die “Schmach von Cordoba”, als die Deutschen bereits nach der Gruppenrunde aus Argentinien abreisen mussten, und schließlich 2018, als ihnen nicht ein einziger Sieg in der Vorrunde gelang. Um das Ganze noch zu verschlimmern, waren sie beide Male als amtierende Weltmeister und In der Favoritenrolle angetreten. Doch was den Fans arg zu schaffen möchte, freute die Wettanbieter. Einer geht im Fußball bei jedem Ergebnis als Sieger hervor, auch wenn bis zum Abpfiff alles möglich ist.