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Mitten in der Nacht kommt er. Ich wache auf, denke, ich habe blöd gelegen. Dann versuche ich den Arm auszustrecken, um die Nachttischlampe einzuschalten. Ich schreie. Er ist da, mitten im Raum: Der Muskelkater.

Manchmal machen wir uns die dümmsten Sorgen. Vor vier Tagen saß ich in der Umkleide des Gym7 in Hechtsheim. Und ich ärgerte mich über mich selbst: Ich hatte zum zweiten mal das Handtuch vergessen. Doch das war nichts, gar nichts – nicht einmal im Ansatz ein Problem. Denn jetzt habe ich etwas viel, viel Wichtigeres vergessen: meinen Leistungsbogen.

„Das wird teuer“, kündigt Torben an. Allerdings meint er nicht Geld. Leider. Wer seinen Leistungsbogen vergisst, der muss außerhalb der Reihe trainieren. Etwas anderes. Mir schwant, dass „anderes“ in dem Fall nicht „gutes“ bedeutet. Eher: „gar nicht gut“.

Wir fangen an mit Kniebeugen. Kohl und Kniebeugen haben vieles gemeinsam: Sie sind gesund, waren ein fester Teil meiner Kindheit und Jugend – und als ich mehr Selbstbestimmung über mein Leben erlangt habe, beförderte ich sie zu Teilen meiner Vergangenheit. Bis jetzt.

Torben ist sauer

Ich bin nicht mehr selbstbestimmt. Ich habe jetzt einen Personaltrainer. Der ist sauer, weil ich meinen Meldebogen vergessen habe. Und ja: Da war was bei unserem ersten Gespräch. So etwas wie: „Du darfst den Leistungsbogen nie vergessen – das ist wichtig – wie sollen wir sonst sinnvoll trainieren?“

Wobei: So ganz sinnlos sind die Kniebeugen nicht. Ich bemerke meine Verfehlungen: Den ganzen Tag habe ich so gut wie nichts getrunken. Jetzt fehlt Wasser in den Gelenken. Folglich verweigern sie den Dienst. Das wäre auch so, wenn ich jetzt keine Fitness machen würde. Nur würde ich es nicht merken, vielleicht auf dem Sofa liegen – und weiter vergammeln.

Torben will, dass ich trinke. Zum Glück werden Fruchtwasser im Gym7 gratis angeboten. Ich hole das Versäumte nach, schlucke nach und nach einen Liter. Und tatsächlich: Plötzlich gehorchen mir die Gelenke und ich komme runter. Ich mache Kniebeugen. Nicht so gut wie die anderen. Aber das war schon so, als ich noch jung, fit und schlank war – und einmal die Woche fürs Ringen trainiert habe.

„Du bist stemmig gebaut“, sagt Torben. Leuten, die so veranlagt seien, täten sich immer schwer mit Kniebeugen. Aber machen soll ich sie trotzdem. Nicht nur wegen des vergessenen Leistungsbogens. Sondern weil sie die Grundübung schlechthin seien. Sie seien in der Fitness so etwas wie der Point Zero. Der Platz, auf dem alles andere auf- und angebaut wird.

Wasser trinken

Gelockert und allmählich mit ausreichend Wasser versehen gehen wir an die Geräte. Andere als sonst. Aber für mich ist alles neu. Ich denke mir nichts dabei. Und ja – was wir tun, macht Spaß. Richtig. Allem voran der Bizeps-Trainer. Es sei das populärste Gerät, berichtet Torben. Denn es sei das Gerät mit dem Muskeln aufgebaut würden.

Mir macht die Übung Spaß. Wir plaudern. Zum ersten mal muss ich mich nicht auf die Atmung konzentrieren, weil die endlich von alleine funktioniert: In der Belastung ausatmen, in der Entlastung einatmen. Zwischendrin meint Torben: „Morgen wirst Du den Arm nicht mehr gerade bekommen“. Wir plaudern weiter. Ich muss nicht so tun, als ob ich es nicht gehört hätte. Denn es ist tatsächlich so. Außerdem macht die Übung wirklich Spaß.

Und siehste: Am nächsten Tag nichts. Ich sitze am Computer, schreibe, zwischendrin gehe ich mit Don raus – alles wie gehabt, keine Schmerzen. Ans gestrige Training denke ich nicht mehr. Die Arbeit beschert mir genug andere Gedanken. Bis ich abends einschlafe – und nachts wach werde.

Im Laufe des Tages wird es nicht besser. Mit Links heben, kann ich vergessen. Schreiben geht gerade noch, wenn ich den Unterarm auf dem Tisch auflege. Selbst beim Gehen schmerzt der Arm. So sitze ich abends beim Schorsch.

Häme ertragen

Wie soll ich den Schorsch beschreiben? Kennt Ihr diese Art Wirte, die immer geduldig zuhören? Die Verständnis für ihre Gäste haben? Und auch mal ein gutes Wort? So ein Wirt ist der Schorsch nicht. Stattdessen macht er Witze über meinen Muskelkater. Leider sind einige tatsächlich gut. Im Vergleich der Krankheiten, die am meisten Mitleid einbringen, rangiert der Muskelkater offensichtlich auf einem unteren Platz.

Das Training am nächsten Tag sage ich ab. Aber nicht wegen des Muskelkaters. Cardio-Training ginge drei Tage danach schon. Aber ich bin erkältet. Dann ist die Kombination aus Übergewicht, Bluthochdruck und Reflux immer besonders unangenehm. Und eine Krankheit zu erarbeiten, die im Mitleids-Ranking besser abschneidet, fehlt mir der Ehrgeiz.

Drei Tage später sitze ich wieder in der Umkleide des Gym7. Mit Handtuch. Mit Leistungsbogen. Und auch sonst fehlt nichts mehr in der Tasche. Außer dass ich mir mal gescheite Turnschuhe kaufen muss. Jetzt bin ich bereit fürs Training. Wirklich.

Zu den nächsten Teilen der Serie: Fitnesserie