Rund 54 Millionen Menschen in Deutschland kennen das Szenario: Jeder noch so gute Tag wird zum Albtraum, sobald ein leichtes Drücken im Kopf einsetzt. Oft entwickelt sich dieses Drücken zu einem anhaltenden, stechenden Schmerz. Kopfschmerzen treten häufig und in verschiedenen Formen auf, sie können den gesamten Kopf betreffen oder nur in bestimmten Regionen auftreten. Mediziner unterscheiden rund 250 Arten von Kopfschmerzen, die je nach Stärke und Häufigkeit die Lebensqualität enorm beeinträchtigen. Viele Patienten neigen dazu, ihr Leiden zu banalisieren oder auf eigene Faust mit Medikamenten zu behandeln, hinterfragen aber selten, warum keine langfristige Besserung oder Heilung eintritt.
Kopfschmerzen als Alarmsignal des Körpers
Benjamin Börner vom Tübinger Zentrum für Integrative Medizin weiß, dass Kopfschmerzen oft ein Alarmsignal des Körpers sind und weit mehr als eine lästige Begleiterscheinung darstellen. „Kopfschmerzen haben in der Regel stoffwechselbedingte Ursachen, liegen körperlichem oder emotionalem Stress oder sogar Erkrankungen des Bewegungsapparats zugrunde, die im medizinischen Alltag nicht immer sofort diagnostiziert werden“, erklärt der Spezialist für biologische Medizin. Es ist wichtig, das Bewusstsein für die Komplexität von Kopfschmerzen zu schärfen und sie nicht zu unterschätzen.
Hoher Anteil an Betroffenen
Ein Alltag, der von Schmerzen geprägt ist, zermürbt nicht nur körperlich, sondern hat auch langfristig psychische Auswirkungen. Vier bis fünf Prozent der Deutschen leiden an täglich wiederkehrenden Kopfschmerzen, bei etwa 70 Prozent der Betroffenen sind diese mit starken Anfällen verbunden. Damit gehören Kopfschmerzen neben Rückenschmerzen zu den häufigsten gesundheitlichen Beeinträchtigungen.
Vor allem drei Formen des Kopfschmerzes dominieren: Clusterkopfschmerz, Spannungskopfschmerz und Migräne. Spannungskopfschmerz tritt bei 53,6 Prozent aller Kopfschmerzpatienten auf, während Migräne 38,4 Prozent aller Kopfschmerzdiagnosen ausmacht.
Unterschiede und richtige Behandlung
„Der Spannungskopfschmerz entsteht durch eine veränderte Haltung der oberen Nackengelenke, was zu einer Kontraktion der Muskulatur von der Schädelbasis bis zu den Schultern führt“, erläutert Börner. „Dann kommt es zu unangenehmen Schmerzen im Hinterkopf und im Augenhintergrund. Der Clusterkopfschmerz gehört hingegen zu den vaskulären Kopfschmerzen, die bei Blutdruckschwankungen infolge von Stresssituationen auftreten. Oftmals sind sie einseitig, hinter dem Auge liegend, und die Betroffenen klagen über pochende Schmerzen und Lichtempfindlichkeit.“
Migränekopfschmerzen sind eher stoffwechselbedingt und haben meist eindeutige Auslöser wie Schlafmangel oder die Unverträglichkeit bestimmter Nahrungsmittel. Sie belasten den Kopf helmförmig, und teilweise tritt eine Aura auf, die mit heftiger Übelkeit und neurologischen Störungen einhergeht. Insgesamt beeinträchtigt Migräne den Allgemeinzustand der Patienten massiv.
Behandlung und Prävention
Benjamin Börner behandelt das Alarmsignal Kopfschmerz zunächst symptomatisch – etwa mit Techniken wie Akupunktur und Neuraltherapie. Es sei wichtig, das Symptom nicht zu banalisieren oder selbst zu medikamentieren. „Der Patient muss beurteilt und die Ursache des Symptoms ermittelt werden. Stellen Sie sich ein Gerät mit blinkender Fehlerlampe vor, die mit dunklem Klebeband abgedeckt ist. Nach einer Weile läuft das Gerät Gefahr zu explodieren, weil die Warnungen ignoriert wurden“, veranschaulicht Börner. Es ist daher entscheidend, den eigenen Körper zu kennen und frühzeitig auf ihn zu hören.
Langfristig genesen
Vor allem Migränepatienten wünschen sich nichts sehnlicher als eine dauerhafte Linderung ihrer Beschwerden. Bei ihnen führen hauptsächlich stoffwechselbedingte sowie immunologische Reaktionen und Veränderungen in der Mikrovaskulatur zu den belastenden Symptomen. Börner rät Betroffenen daher, ihren Lebensstil kritisch zu hinterfragen. Essenziell sind Ruhe- und Schlafzeiten, da Störungen des Schlafverhaltens nachweislich zu Kopfschmerzen führen können. „Die Unfähigkeit des Körpers, sich auszuruhen, führt in einen Teufelskreis: Schmerz fördert die Müdigkeit, was zu einem anhaltenden Anstieg von Cortisol führt. Dieser löst nicht nur Schlaflosigkeit aus, sondern erhöht auch das Stressniveau und führt letztendlich zu chronischer Müdigkeit – auch bekannt als Chronisches Fatigue-Syndrom“, so Börner. Um dieses Worst-Case-Szenario zu vermeiden, empfiehlt er eine ausgewogene, hauptsächlich zuckerfreie Ernährung sowie ausreichende körperliche Betätigung. So können auch Kopfschmerzpatienten endlich ein neues, gesundes Leben beginnen.